Berlin/München – In der Ecke surrt ein Ventilator kläglich gegen die Wärme an. Auch politisch geht es hitzig zu. „Lass’ ma den Blödsinn mit den Grenzkontrollen“, faucht der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter die deutschen Politiker vor laufenden Kameras an. Über den „Blödsinn der Blockabfertigung“ schnaubt der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer im Gegenzug. Kaum zu glauben angesichts solcher Szenen: In der Summe bringt der Transit-Gipfel in Berlin doch etwas Abkühlung.
Bei ihrem 90-minütigen Krisengespräch in der Hauptstadt vereinbaren deutsche und österreichische Politiker erste Schritte für die Entlastung der Straßenlärm-geplagten Anwohner im Inntal. Ein Zehn-Punkte-Plan, erarbeitet von Beamten aus beiden Ländern, dient als Grundlage für einen kleinen Konsens. Kernstück: Die Kapazitäten, Lastwagen auf der Schiene über den Brenner zu transportieren, werden innerhalb von 17 Monaten verdoppelt.
Bisher können 206 000 Lkw pro Jahr auf die Schiene gebracht werden. Ab April 2020 sollen es 400 000 sein, ab Januar 2021 sogar 450 000. Die Terminals in München-Riem und das seit 2016 geschlossene Regensburg werden ausgebaut, mittelfristig entsteht eine neue Umschlaganlage im Raum München. Auch wenn diese Transporte auf der Schiene teurer seien, werde er sich im Bundestag um eine weitere staatliche Förderung bemühen, kündigte der CSU-Minister an. In den Haushaltsberatungen waren die Fördergelder dafür allerdings gestrichen worden.
Kein Durchbruch, allenfalls eine Linderung – nach Tiroler Angaben rollen jährlich 2,5 Millionen Lkw über den Brenner. Echte Entlastung dürfte erst der Brennerbasistunnel bringen, für den auf deutscher Seite aber noch der Zulauf fehlt. Die Gleise werden nach aktueller Planung wohl erst in drei Jahrzehnten fertig. Die CSU dringt deshalb auf ein Beschleunigungsgesetz.
Bis zum Jahresende soll es zudem ein Lkw-Leitsystem geben. Die Brummi-Fahrer sollen frühestmöglich vor Staus gewarnt und am besten zu Bahnterminals gelotst werden. Offizielle Formel: Die Zufahrt der Lastkraftwagen zur Grenze solle man „dosieren“, Staus abbauen.
Der Punkt ist heikel. Man habe „hart gerungen“, berichtet ein Unterhändler. Die Bayern wollen einen Rückstau verhindern, haben aber insgeheim die Sorge, damit die Blockabfertigung auf Tiroler Seite unfreiwillig zu unterstützen. Dieses Ausbremsen der Lkw treibt vor allem der CSU seit Wochen die Zornesröte ins Gesicht. Scheuer plant eine Klage gegen Österreich auf europäischer Ebene. Auch nach dem Krisengespräch noch – denn der Gast aus Tirol kündigte an, null von der umstrittenen Praxis abzuweichen. „Für mich gibt es heute keine Euphorie. Wir brauchen noch weiterhin diese Notmaßnahmen. Sie sind bislang unverrückbar“, sagt Platter unserer Zeitung. Man mache das ja nicht „aus Jux und Dollerei“. Bereits am Montag, Schulferienstart in Bayern, seien an der Grenze bei Kiefersfelden die nächsten Blockabfertigungen geplant – kilometerlange Staus. Ebenso sollen die Abfahrverbote für Autos an den Ferienwochenenden bleiben.
Annäherung gab es bei einem Kritikpunkt der Tiroler. Die Maut in Deutschland und Italien sei viel zu niedrig, was den Verkehr auf die Strecke über den Brenner anziehe. Platter schätzte, dass 40 Prozent der Lkw die Route durch Tirol nähmen, weil die Maut in den Nachbarländern so niedrig sei. Scheuer kündigte Gespräche mit der EU an, um die Mautsätze anheben zu können. Im Gespräch ist auch, die Dieselpreise in Österreich zu heben. Das müsste aber die Bundesregierung in Wien durchsetzen, die im Moment nur übergangsweise mit Beamten besetzt ist.
Was bleibt, ist ein Gipfel der scharfen Worte. Vor allem in der CSU wird über den sonst nicht so charismatischen Platter geschimpft, er betreibe Wahlkampf auf dem Rücken der Autofahrer. In Tirol wird gekontert, man sei die jahrzehntelangen Ankündigungen auf deutscher Seite satt. Auch die Worte vom „Blödsinn“ hallen noch kurz nach in Berlin. Die Deutung des Krisentreffens differiert deshalb teils kurios von „Tirol bewegt sich keinen Millimeter“ (ARD) bis „Transitstreit beigelegt“ (ZDF). Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Platter sagt: „Ich werde erst zufrieden sein, wenn wirklich Entlastung da ist.“