Das China-Problem der WHO

von Redaktion

Seine Entscheidung, die amerikanischen Zahlungen an die WHO einzustellen, hat Donald Trump mit schweren Vorwürfen gegen die Weltgesundheitsorganisation untermauert, der er eine übertriebene Nähe zu China unterstellt. Die Attacke folgt einem bekannten Muster. Ganz falsch liegt Trump diesmal aber nicht.

VON MARC BEYER

München – Der Gast aus dem Westen sparte nicht mit Komplimenten. China, lobte die Weltgesundheitsorganisation WHO Mitte Februar bei einem Ortstermin, habe mit seinem mutigen und entschlossenen Vorgehen „den Verlauf einer schnell eskalierenden und tödlichen Epidemie verändert“. Wenn er am Coronavirus erkranken sollte, flötete einer der Delegationsleiter damals, „dann möchte ich in China behandelt werden“.

Zwei Monate später fliegen der WHO die Aussagen von damals um die Ohren. Am Dienstag hat US-Präsident Donald Trump die Zahlungen, die sich jährlich auf 400 Millionen Dollar belaufen, einstellen lassen. Mit fehlerhaften Entscheidungen habe die UN-Organisation „die Pandemie auf der ganzen Welt beschleunigt“. Neben dem Vorwurf, das Ausmaß der Corona-Krise viel zu spät erkannt zu haben, beklagt der Präsident auch, die WHO sei „China-zentriert“.

Man kennt dieses Muster bei Trump. Schuld sind immer die anderen, obwohl der Präsident selbst nachweislich und eklatant das Virus verharmlost hat. Dennoch hat seine Anklage einen wahren Kern. Das Verhältnis der WHO zu China ist geprägt von Nähe und Kritiklosigkeit. Die Corona-Entstehungsgeschichte ist auch eine Chronik der Fehleinschätzungen.

Nach dem 31. Dezember, als die Gesundheitskommission der Metropole Wuhan erstmals von einer geheimnisvollen Lungenkrankheit berichtete, vergingen zweieinhalb Monate, bis Corona von der WHO als Pandemie eingestuft wurde. Während die taiwanesischen Behörden bereits am Silvestertag vor einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung warnten, beschwichtigte die WHO noch Mitte Januar, es gebe dafür „keinen klaren Beweis“. Grundlage für diese These waren ausschießlich chinesische Untersuchungen.

Heute weiß man, wie viel Vorsicht im Umgang mit der Informationspolitik Pekings geboten ist. Offiziell gab es zuletzt wochenlang im ganzen Riesenreich wenige bis gar keine neuen Infektionen mehr. Die rätselhafte Abflachung der Kurve stieß weltweit auf Misstrauen, die WHO hingegen ließ keinerlei Argwohn erkennen. China galt als Musterbeispiel für die konsequente Eindämmung der Infektionen, ein verlässlicher Partner in einem schweren Kampf. Den Vorwurf übertriebener Nähe ließ sich die Organisation nicht gefallen. In Fällen wie diesem sei die enge Zusammenarbeit mit den Behörden im Land des Ausbruchs ganz normal.

Weniger normal ist das offene Ohr, mit dem man auf Einflüsterungen einzelner Staaten reagiert. Ausgerechnet Taiwan, von wo die ersten warnenden Stimmen kamen, ist die Mitgliedschaft in der WHO bis heute verwehrt geblieben. Dahinter steckt das Veto Pekings, das den Inselstaat als „abtrünnige Provinz“ betrachtet.

Die USA haben schmerzhaft lange der Ausbreitung des Virus tatenlos zugesehen. In einem Punkt jedoch ergriff Donald Trump früh die Initiative. Ende Januar verhängt er einen Einreisestopp für chinesische Bürger. Am gleichen Tag plädierte die WHO dafür, die Grenzen offen zu lassen. Noch Ende Februar, einen Monat später, rückte sie von dieser Position nicht ab.

Vieles an Trumps Vorwürfen mag deshalb durchsichtig sein und einzig dem Zweck dienen, das eigene Versagen zu kaschieren und die Schuld auf internationale Organisationen und rivalisierende Weltmächte abzuwälzen. Unberechtigt ist seine Kritik an der WHO in diesem speziellen Fall aber nicht.

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