Berlin – Schon in ihrer Zeit als SPD-Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln waren Franziska Giffey die Themen Sicherheit und Polizei wichtiger als vielen ihrer Parteifreunde. Daher dürfte ihr Interesse beim Besuch in der Berliner Polizeiakademie auch als Bundesfamilienministerin kaum vorgeschoben sein. Schwungvoll, zugewandt, lächelnd – das sind ihre Markenzeichen.
Und so kommt sie auch auf junge Polizisten in einer Gesprächsrunde zu. „Sagen Sie, was Sie der Bundesregierung mitgeben wollen“, fordert Giffey die Auszubildenden auf. „Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden? Was wünschen Sie sich von der Politik?“, fragt sie und dreht sich in ihrem leuchtend roten Blazer von einem zum anderen.
Doch die 42-Jährige schaut nicht nur als Bundesministerin bei den Polizeischülern vorbei. Sie tut das als künftige starke Frau der Hauptstadt-SPD, die sich anschickt, bei der Wahl in gut einem Jahr ins Rote Rathaus einzuziehen.
Offiziell hat Giffey zwar noch nicht erklärt, ob sie Spitzenkandidatin werden will. Doch spätestens nach der Ankündigung von Berlins langjährigem Regierendem Bürgermeister und SPD-Chef Michael Müller (55) Anfang der Woche, er wolle sich im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf um ein Bundestagsmandat bewerben, zweifelt niemand mehr daran, dass Giffey die SPD in die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 führt.
Die smarte Strahlefrau und Dauerlächlerin, die gut mit den Leuten kann und daher bei vielen Menschen ankommt, gilt als letzter Trumpf der seit Jahren darbenden Hauptstadt-SPD. Früher – etwa mit Willy Brandt als Regierendem Bürgermeiter – holten die Sozialdemokraten zumindest im Westteil Berlins mehr als 50 oder sogar mehr als 60 Prozent der Stimmen. Aktuell regieren sie mit Linken und Grünen, liegen in Umfragen aber mit 15 oder 16 Prozent schon länger nicht mehr vorn. Damit wäre der Posten des Regierungschefs 2021 weg.
Giffey soll nun den Aufschwung bringen – so die Hoffnung. Entsprechend versucht die 42-Jährige, die von der SPD 2018 vor allem aufgrund ihrer Brandenburger und damit ostdeutschen Herkunft in das Bundeskabinett entsandt wurde, seit geraumer Zeit, sich in der Hauptstadt wieder öfter sehen zu lassen.
Zuvorderst ging es dabei zunächst um ansprechende Fotos – ob nun auf einer schnittigen Maschine im Spandauer BMW-Motorradwerk, am Ruder einer Mini-Fähre am kleinen Müggelsee oder beim Reparieren eines Fischernetzes ebenda. Nun der Besuch bei der Polizei: Ordnung und Sicherheit seien ihr wichtig, die Polizei brauche Rückenstärkung, so Giffeys Botschaft. Schließlich gibt sie den Polizeischülern der Multikulti-Hauptstadt noch auf den Weg: „Wichtig ist nicht, wo du herkommst, sondern wer du sein willst.“
Früher oder später wird Giffey auch erläutern müssen, was ihre Rezepte gegen Wohnungsknappheit, für die Verkehrswende oder eine funktionierende Verwaltung sind. Zu all dem sagt sie nichts. Stattdessen trägt sie ihr Mantra vor, auf das sie stets zurückgreift: Verabredet sei, dass sie und Fraktionschef Raed Saleh gemeinsam Müller als Parteichef ablösen. STEFAN KRUSE ANDREAS RABENSTEIN