Minsk – Knapp zwei Wochen nach seiner Festnahme in Belarus hat der Regierungskritiker Roman Protassewitsch in einem offenbar erzwungenen Geständnis eingeräumt, Massenproteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko organisiert zu haben. Der 26-Jährige äußerte in dem anderthalbstündigen Interview im Staatsfernsehen sogar Bewunderung für Lukaschenko, den er bis dahin immer wieder kritisiert hatte. Die Opposition vermutet, dass Protassewitsch zu dem Auftritt genötigt worden sei.
Seine Mutter bezeichnete das Interview als Ergebnis von Folter. „Ich kann mir nicht einmal vorstellen, welchen Foltermethoden – sowohl psychischen als auch physischen – mein Sohn momentan ausgesetzt ist“, sagt Natalia Protassewitsch. Auch die Bundesregierung verurteilte „dieses vollkommen unwürdige und unglaubwürdige Geständnis-Interview“. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es sei „eine Schande für den Sender, der es ausstrahlt und für die belarussische Führung, die noch mal ihre ganze Demokratieverachtung und, eigentlich muss man auch sagen, Menschenverachtung zeigt“.
Der britische Außenminister Dominic Raab twitterte: „Das verstörende Interview von Herrn Protassewitsch vergangene Nacht entstand eindeutig unter Zwang und in Gewahrsam.“ Er forderte, alle zur Verantwortung zu ziehen, die an der Produktion und Verbreitung des Videos beteiligt gewesen seien.
Unter welchen Umständen auch immer das Interview entstanden ist: Für die belarussische Staatspropaganda, die es vorher in einem Trailer als die „Enthüllung schrecklicher Geheimnisse“ angekündigt hat, ist es ein Coup. Ob er Machthaber Lukaschenko respektiere, will ONT-Chef Marat Markow von Protassewitsch wissen. „Absolut.“
Anderthalb Stunden lang sitzt der junge Mann in einem karierten Hemd in einem dunklen Raum, nur sein Gesicht und das seines Gesprächspartners sind hell angeleuchtet. Im Ausland lebende Oppositionelle bezeichnet der 26-Jährige als geldgierig und untereinander zerstritten. Den immer wieder als „letzten Diktator Europas“ kritisierten Lukaschenko lobt er als entschlossenen Politiker „mit Eiern aus Stahl“. Immer wieder fährt er sich mit den Händen durchs Gesicht, mitunter zittert seine Stimme. Am Ende weint er. Er wolle doch nur „ein normales, ruhiges Leben“.