Flüchtlingsnot „gemeinsam schultern“

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Die Zahlen sprechen Bände: Bayern hat mehr ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen als ganz Frankreich. Auch innerhalb Deutschlands ist die Verteilung der Menschen, die vor Putins Terror Schutz suchen, sehr unterschiedlich. Die meisten Ukrainer flüchteten nach Nordrhein-Westfalen (220 195), an zweiter Stelle liegt Bayern mit 149 481. Im Freistaat wird die Situation in den Flüchtlingsunterkünften derweil immer schwieriger.

Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU), sagte unserer Zeitung: „Das größte Problem liegt darin, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine ja nicht die einzigen sind. Wir haben jetzt wieder die Menschen aus den übrigen Fluchtgebieten, die wir 2015/16 schon hatten. Das verschärft die Situation beim Platz.“

Grundsätzlich sei es so, dass es die ukrainischen Flüchtlinge etwas leichter hätten. Sie kämen aus dem gleichen Kulturkreis, seien in der Regel gut ausgebildet, „und finden hier leichter eine Arbeit“. Zudem handele es sich um Menschen, die nicht dauerhaft hierbleiben wollten. Sie hätten also eine ganz andere Perspektive. „Die Schwierigkeit, die wir aber nun auch mit den Ukraine-Flüchtlingen haben, ist der schiere Platz. Wir haben einfach nicht genug Unterkünfte“. Landrats-Kollegen seien schon dabei, wieder Turnhallen mit Flüchtlingen zu belegen. Das sei weder für die Schulen und die Kinder schön noch für die Geflüchteten eine Perspektive. Um Menschen, die vor Not und Kälte in einem Kriegsland flüchten, kurzfristig unterzubringen, könne man das schon mal machen. „Aber dann muss auch die Perspektive da sein, dass sie in ein paar Wochen wieder draußen sind.“ Genau diese Perspektive hätten andere Flüchtlinge nicht – und das Zusammentreffen beider Faktoren bereite den Landkreisen große Schwierigkeiten.

Karmasin wünscht sich eine andere Verteilung der Geflüchteten in Europa und Deutschland. „Ich fände es gut, wenn wir als Europa, das gemeinsam die Ukraine unterstützt, auch die Lasten gemeinsam tragen würden.“ Das gelte auch für die Situation in Deutschland. Es sei nicht richtig, dass sich einzelne Länder hier einfach abmelden. Es müsse gemeinsam geschultert und gleichmäßig verteilt werden – „das ist ein Gebot der Fairness“.

2015, als Millionen Migranten nach Europa strömten, hatten Appelle an die Fairness keinen Erfolg. Doch Karmasin erklärt: „Damals ist es auch daran gescheitert, dass unterschiedliche Länder eine unterschiedliche Flüchtlingspolitik machten.“ Wenn man als Land eine Politik betreibe, bei der die Flüchtlinge die besten Bedingungen vorfinden – etwa bei den Sozialleistungen –, „dann werden Sie der Lieblingszuwanderungsort sein“. Andere Ländern seien deutlich zurückhaltender gewesen. Bei der Ukraine zähle dieses Argument nicht. „Hier muss man gemeinsam in die Hilfeleistung gehen, denn man ist sich ja einig, dass man den Menschen Zuflucht gewähren muss.“

Dass sich die Kriegsflüchtlinge so unterschiedlich verteilen, erklärte der Migrationsexperte Gerald Knaus in der „Bild am Sonntag“ so: In Frankreich fassten die Flüchtlinge schlechter Fuß, weil der Staat ihnen weniger Geld zahlt und sie für eine gemietete Wohnung eine hohe Kaution zahlen müssten.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson betonte andere Gründe. „In den vergangenen neun Monaten sind Geflüchtete aus der Ukraine überwiegend dorthin gegangen, wo sie Freunde oder Familie haben, auch die Nähe zu ihrer Heimat und die Vertrautheit der Kultur haben eine Rolle gespielt.“  (mit dpa)

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