Die Kommunen zahlen die Zeche

von Redaktion

In Städten und Gemeinden ist der Unmut über den Kompromiss beim Flüchtlingsgipfel groß

München – Die Formulierung „atmendes System“ hat es rund um den Flüchtlingsgipfel zu einiger Berühmtheit gebracht. Wann immer ein Ländervertreter über seine Erwartung sprach, ging es bald um die Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme und um die Hoffnung, der Bund möge seine Unterstützung an die Zahl der aufgenommenen Personen koppeln: An- und abschwellend. Am Mittwoch sagte der Bund nach langen Verhandlungen dann eine weitere Milliarde zu. Pauschal, ohne Atmen.

Wenig überraschend fallen die Reaktionen in den Ländern nüchtern bis enttäuscht aus. Von einem „Tropfen auf den heißen Stein“ spricht Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er nennt das Ergebnis „für die Kommunen viel zu wenig“. Der Freistaat erhält rund 170 Millionen, zum Vergleich: Sachsen-Anhalt kriegt 30 Millionen. Dessen Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) attestiert zwar einen „Teilschritt“, aber weit komme man damit nicht. Ziel bleibe ein dauerhaftes, pro Kopf heruntergerechnetes Schema: „Wir müssen wissen, was wir 2024 und in den folgenden Jahren kriegen.“

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel, da verhält es sich in der Politik nicht anders als im Fußball. „Leider wird jetzt wieder zu viel Zeit verloren“, sagt Söder, auch im Namen der Kommunen, die aus ihrem Unmut über den Bund schon lange keinen Hehl mehr machen.

Noch am wohlwollendsten drückt es Markus Pannermayr aus, der Straubinger OB und Vorsitzende des Bayerischen Städtetages. Der Kompromiss sei „ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung“, aber ganz sicher „noch kein großer Wurf“. Die zusätzliche Milliarde reiche allenfalls für den Übergang, nicht, „um die langfristigen Kosten für Integration dauerhaft abzudecken“. Der OB erinnert, dies sei schon der dritte Flüchtlingsgipfel gewesen: „Leider wurde wieder nur ein Zwischenergebnis erzielt.“

Ein kleiner Schritt? So weit will der Bayerische Gemeindetag noch nicht mal gehen. Nur in „winzigen Trippelschritten“ habe sich der Bund bewegt. Die vereinbarten Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren und Abschiebungen oder dem Schutz der EU-Außengrenzen beträfen zwar die richtigen Ziele, führten aber nicht zu einer kurzfristigen Entlastung, moniert Präsident Uwe Brandl. Man könne den Eindruck haben, dass die teils dramatischen Zustände vor Ort „nicht ausreichend gewichtet“ würden. Dafür spreche auch das Verschieben einer Grundsatzentscheidung zur Finanzierung auf November. Man folge da dem Motto „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe gern auf morgen“, spottet Brandl.

Von „bitterer Enttäuschung“ spricht Thomas Karmasin, Fürstenfeldbrucker Landrat und Präsident des Bayerischen Landkreistages. Aber auch davon, dass ihn das Ergebnis nicht mehr überrasche. Alles bleibe wie gehabt: „Der Bund, der allein die Zuwanderung steuern kann, hält daran fest, die Zuwandernden durch die Kommunen bewirten zu lassen und die Zeche nicht zu bezahlen.“

Unerwartet kommt die geballte Kritik nicht, in Städten und Gemeinden brodelt es schon lange. Aber auch aus der Ampel selbst regt sich Unmut. Er zielt freilich in eine andere Richtung. Schon die eine Milliarde ist FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zu viel, sagt er bei RTL: „Ich halte eine Mehr-Geld-Politik für eine falsche Politik.“ MARC BEYER

Artikel 10 von 11