Sie sehnten das Reich herbei

von Redaktion

Muss sich vor Gericht verantworten: Maximilian Eder ist einer der führenden Köpfe in der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß (kleines Foto). © dpa

Frankfurt – Feindeslisten, Umsturzpläne, hunderte Waffen und mittendrin ein Prinz, eine ehemalige Bundestagsabgeordnete und Ex-Soldaten – ab Dienstag müssen sich neun Mitglieder der „Reichsbürger“-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß in Frankfurt vor dem Oberlandesgericht verantworten. Auch Ex-Soldaten sowie eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete gehören zu den Beschuldigten im mittlerweile zweiten Prozess gegen die Verschwörergruppe. Laut Bundesanwaltschaft sollen die Angeklagten Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen sein beziehungsweise diese unterstützt haben. Reuß und ein weiterer Angeklagter sollen dabei als Rädelsführer agiert haben.

Ab August 2021 plante und bereitete sich die Gruppe demnach auf einen Umsturz an „Tag X“ vor. Konkret hätten sie mit einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin eindringen wollen, um dort Abgeordnete des Bundestags festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen. „Die Angehörigen habe eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verbunden“, hieß es von der Bundesanwaltschaft.

Strukturen für eine eigene Staatsordnung sollen sie in Grundzügen schon ausgearbeitet haben. Als Staatsoberhaupt hätte Heinrich XIII. Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts einer möglichen Regierung seien schon verteilt gewesen. Die ehemalige Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann hätte für das Ressort Justiz zuständig sein sollen.

Auch Ex-Bundeswehrsoldaten gehören zu den Beschuldigten. Zentrales Gremium der Gruppe war Ermittlern zufolge ein „Rat“. Eine Übergangsregierung hätte mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs eine neue staatliche Ordnung in Deutschland verhandeln sollen. Denn: Sogenannte Reichsbürger behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert, daher auch der Name. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.

Für ihre Pläne standen ihnen laut Bundesanwaltschaft rund 500 000 Euro und ein massives Waffenarsenal zur Verfügung. Darunter rund 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, fast 500 weitere Waffen und 148 000 Munitionsteile.

Dieses Waffenarsenal sollte nicht nur zur Einschüchterung dienen. Es sei den Beteiligten bewusst gewesen, „dass die geplante Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden wäre“. Teil der Pläne waren demnach auch „Feindeslisten“ von Funktionsträgern auf Bundes-, Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene. Mitglieder und Interessenten mussten laut der Karlsruher Behörde eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. „Verstöße dagegen sollten als Hochverrat mit der Todesstrafe geahndet werden“, hatte die Behörde mitgeteilt.

Reuß und die weiteren Angeklagten seien Anhänger von Verschwörungsmythen aus der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie gewesen. „Sie seien fest davon überzeugt gewesen, dass Deutschland von Angehörigen eines sogenannten Deep State regiert werde“, hieß es vonseiten des Gerichts.

Im Dezember 2022 kamen die Pläne ans Licht: Polizisten durchsuchten in mehreren Bundesländern und im Ausland Wohnungen und Häuser. Ergebnis der groß angelegten Anti-Terror-Razzia: Anklage der Bundesanwaltschaft gegen 27 Verdächtige.

Statt der ursprünglich zehn Angeklagten treten in Frankfurt nun nur neun mutmaßliche „Reichsbürger“ vor die Richter. Norbert G. verstarb im März in einer Klinik, teilte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit.

Den Übrigen drohen laut Gericht bis zu zehn Jahre Haft, wenn sie in einem Anklagepunkt schuldig gesprochen werden. Im Falle mehrerer Schuldsprüche und einer Gesamtstrafe stünden maximal 15 Jahre Haft zu Buche. Für die Beschuldigten gilt bis zu einem etwaigen Urteil die Unschuldsvermutung.

Neben dem Prozess in Frankfurt müssen sich weitere Mitglieder der Gruppierung in Stuttgart und München vor dem jeweiligen Oberlandesgericht verantworten. Ende April hatte in Stuttgart die Gerichtsverhandlung um den militärischen Arm der Gruppe „Reuß“ begonnen. In München stehen zudem ab dem 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder vor Gericht – dafür sind 54 Verhandlungstage angesetzt.

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