Beim Ladenschluss bewegen sich in Bayern zwei Welten. Je ländlicher ein Ort, desto geringer ist die Nachfrage nach Abend-Öffnung, meist wird nicht mal das geltende Limit von 20 Uhr ausgereizt. Gut so, das kann der Einzelhandel vor Ort nach Nachfrage, Personal und Konkurrenz lokal am besten regeln. Das hat sich bewährt. Je großstädtischer, desto stärker ist allerdings der Ärger über die starren Zeiten. In München kämpfen viele Haushalte, Doppelverdiener, Familien, damit, den Einkauf auch noch irgendwie in den Tag reinzuquetschen. Die Auswirkungen sind unübersehbar: Um 20:01 Uhr darf niemand mehr in den Supermarkt, Gott bewahre!, aber bis nachts rasen schlecht bezahlte Lieferdienste mit dem Diesel von Halteverbot zu Halteverbot. Saufbedarf gibt es dafür die ganze Nacht an einer neuen Flut an Kiosken; die tricksen per Gaststättenrecht die Stadt aus, die sich taub und blind stellt. Das ist bizarr!
Zwei Realitäten also, zwei Bedarfe, keiner davon falsch. Bayern hätte die Chance gehabt, mit dem neuen Ladenschlussgesetz beiden Ansprüchen gerecht zu werden. Nach Jahrzehnten ohne landesrechtliche Regelung, mit mühseligen Debatten in der CSU und in ihren wechselnden Koalitionen, wäre ein modernes, flexibles Gesetz überfällig. Andere Bundesländer haben das längst hingekriegt. Die Lösung liegt doch auf der Hand: Wenn weite Teile Bayerns den bisherigen Ladenschluss beibehalten wollen, soll das so sein. Und für die zwei, drei Großstädte macht man eben eine Öffnungsklausel bis 22 Uhr, notfalls testweise. Das rührt nicht am Grundkonsens einer Gesellschaft (der übrigens auch zu Recht den klaren Schutz der Sonntagsruhe einschließt), sondern wird den Realitäten im Freistaat gerecht.
Aus ihrer Angst anzuecken verzichtet die Staatsregierung auf Differenzierung. Nebenlösungen mit langen Einkaufsabenden (stolze 0,66 pro Monat), ein bisschen Bürokratieabbau dafür oder ein Konzept für Automatenläden sind ja ganz nett, aber gehen am Kern des Problems in der Metropole weit vorbei. Das Ladenschlussgesetz ist wahrlich nicht das wichtigste Projekt des Jahres. Aber bei so lebensnahen Gesetzen sollte sich die Koalition mehr Mühe geben. Christian.Deutschlaender@ovb.net