Vor zwei Wochen veranstaltete das israelische Generalkonsulat gemeinsam mit der Constantin Film ein exklusives Screening des Films „September 5. The Day Terror Went Live.“ Dieser zeichnet auf packende Weise die Live-Fernsehberichterstattung der Terrorattacke auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München durch den US-Fernsehsender ABC nach (in den deutschen Kinos soll der Film Anfang November anlaufen).
Ich habe während des ganzen Films an den 7. Oktober denken müssen. Dabei sind mir unweigerlich Fragen nach Parallelen zwischen München und der jetzigen Lage in Süd-Israel durch den Kopf geschossen.
Es beginnt schon damit, wie man die Tragödie von 1972 angemessen in Worte fasst. Wenn in Israel von 1972 die Rede ist, sprechen wir vom Tevach Minchen, wörtlich: dem Massaker von München. Bei diesem Massaker wurden elf israelische Athleten und ein bayerischer Polizist brutal ermordet.
Ich denke mir: Wenn wir schon bei zwölf Ermordeten von einem Massaker sprechen, welchen Begriff sollen wir dann für das verwenden, was sich am 7. Oktober 2023 im Süden Israels zugetragen hat, als 1200, also 100 Mal so viele Menschen, abgeschlachtet wurden? Mega-Massaker? Jahrhundert-Massaker?
Und wo wir schon bei Superlativen sind: 1972 wurden die israelischen Sportler für knapp 22 Stunden in Geiselhaft gehalten und gepeinigt, bevor man sie hinrichtete. Die Hamas hat 250 Menschen nach Gaza verschleppt. Einige konnten bereits befreit werden. Doch die mehr als 100 unschuldigen Geiseln, die sich weiterhin in der Gewalt der Hamas befinden, durchleben seit nunmehr einem Jahr einen Albtraum in den Tunneln unter Gaza. Das sind 8760 Stunden puren Horrors!
Am frappierendsten sind für mich aber die Parallelen bei der medialen Sichtbarmachung der Ereignisse. Obwohl auch hier ein krasses Ungleichgewicht vorliegt.
Da 1972 die ersten Olympischen Spiele waren, die live im Fernsehen gezeigt wurden, konnten Zuschauer auf der ganzen Welt die schrecklichen Szenen des 5. September auf ihren Bildschirmen mitverfolgen. Der Sender ABC, der damals über die modernste Übertragungstechnik verfügte und auch als einziger eine Kamera auf dem Olympiaturm montiert hatte, lieferte das Bildmaterial für die Welt und erzielte dabei einen neuen Zuschauerrekord: Weltweit verfolgten 900 Millionen Menschen das Geiseldrama, und damit mehr als die Mondlandung von Armstrong drei Jahre zuvor.
Die Bilder, die die Welt ab dem 7. Oktober zu sehen bekam, waren ungleich schlimmer und übertrafen alles bisher Bekannte.
Schwer bewaffnete Hamas-Terroristen durchkämmten auf der Suche nach ihren wehrlosen Opfern mit Body-Cams ausgerüstet die israelischen Ortschaften in Grenznähe zum Gazastreifen. Ihre gesamte grenzenlose Brutalität, das Abschlachten ganzer Familien in ihren Safe-Rooms, das Vergewaltigen und anschließende Massakrieren von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nova-Festivals, das Niederbrennen von Häusern in Kibbuzim, wurde von ihren Kameras eingefangen und ungefiltert in Form von Live-Streams auf TikTok und Facebook der Weltöffentlichkeit präsentiert.
Das Bizarre, für mich Unbegreifliche dabei war: Während diese Aufnahmen in den Medien der arabischen Welt unzensiert rauf und runter liefen und bei vielen Konsumenten eine euphorisierende Stimmung erzeugten, verweigerten viele westliche Fernsehsender das Zeigen dieser Szenen, meist mit Verweis auf den Jugendschutz. Das ist aus meiner Sicht ein großer Fehler.
Terroranschläge werden von Terroristen ausgeübt, um politische Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Sie dienen aber auch dazu, das Sicherheitsgefühl einer freiheitlich-liberalen Gesellschaft zu erschüttern.
Wir alle, Israelis wie Deutsche, sollten nicht unter diesem Terror leiden müssen und uns von ihm lähmen lassen. Wir müssen resilient sein und zuversichtlich nach vorne schauen, um unser Leben in Freiheit und Demokratie unbeschwert weiterleben zu können.
Talya Lador-Fresher ist israelische Generalkonsulin in München