Hunderttausende auf der Flucht: In Scharen versuchen Palästinenser, die Stadt Gaza zu verlassen, die zum Ziel einer israelischen Bodenoffensive geworden ist. © Hana/dpa
Brüssel – Mehr als 150 Ziele in zwei Tagen hat Israel in der Stadt Gaza ins Visier genommen, was erneut viele Todesopfer fordert. 17 Menschen kamen laut der Nachrichtenagentur Wafa ums Leben, darunter auch eine schwangere Frau. Die israelische Armee erklärt unterdessen, „Terroristen“ und „militärische Strukturen“ angegriffen zu haben.
Als Reaktion auf diese Entwicklungen schlägt die Europäische Kommission den EU-Staaten nun weitreichende Sanktionen gegen Israel vor. Nach dem Willen der Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen sollten unter anderem Freihandelsvorteile gestrichen und Strafmaßnahmen gegen extremistische israelische Minister und Siedler verhängt werden.
Ziel des Vorstoßes ist es, Israel zu einem Kurswechsel bei seinem Vorgehen im Gazastreifen zu bewegen. Aus Sicht der Kommission verstößt das Land mit seiner Militäroffensive und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. „Die entsetzlichen Dinge, die sich täglich im Gazastreifen abspielen, müssen aufhören“, fordert von der Leyen. Es brauche eine sofortige Waffenruhe, ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe und die Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln.
Das Streichen von Freihandelsvorteilen für Israel würde nach Angaben aus der EU-Kommission 37 Prozent der israelischen Warenexporte in die EU betreffen. Da die EU für Israel der wichtigste Handelspartner ist, könnte dieser Vorschlag Druck auf Israels Regierung ausüben.
Denkbar ist allerdings auch, dass EU-Staaten wie Deutschland und Italien schnell deutlich machen, dass sie den Vorstoß von der Leyens nicht unterstützen. Im Rat der Mitgliedstaaten bräuchte es zu seiner Annahme die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Ohne ein Ja aus Rom oder Berlin ist diese derzeit nicht absehbar, da auch einige kleinere Länder wie Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Österreich bislang gegen scharfe Israel-Sanktionen waren.
„Was ist denn dann die Folge? ‚Kauft nicht mehr bei Juden‘? Das hatten wir alles schon mal“, sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) im ZDF. Grünen-Chefin Franziska Brantner forderte die Bundesregierung hingegen auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. „Appelle und Aufforderungen werden der Situation in Gaza und auch der Westbank nicht mehr gerecht, auch die Situation der Geiseln wird jeden Tag hoffnungsloser.“
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte bereits vor der offiziellen Vorstellung an Deutschland und Italien appelliert, die Pläne für europäische Handelssanktionen gegen Israel zu unterstützen oder alternativ andere Druckmittel vorzuschlagen. „Wenn wir uns einig sind, dass die Lage unhaltbar ist und wir die israelische Regierung zum Kurswechsel bringen wollen, dann müssen wir klären: Was können wir dafür tun?“, sagte sie in einem Interview des Senders Euronews. Wer vorgeschlagene Maßnahmen als Reaktion auf Israels Vorgehen im Gazastreifen nicht unterstütze, solle bitte Alternativen nennen.
Nach EU-Zahlen machte Israels Handel mit der EU 2024 rund 32 Prozent des gesamten internationalen israelischen Warenhandels aus. Das gesamte Handelsvolumen mit Waren zwischen der EU und Israel belief sich 2024 auf 42,6 Milliarden Euro. Die Einfuhren der EU aus Israel hatten dabei einen Wert von 15,9 Milliarden Euro, die Ausfuhren der EU nach Israel einen Wert von 26,7 Milliarden Euro.
Bei den israelischen Ministern, die sanktioniert werden sollten, handelt es sich um Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen.