Prutting – Eine Vorentscheidung in der Planung des Brenner-Nordzulaufs ist gefallen: Die Deutsche Bahn hat die violette Trasse gewählt, die mit mehreren Tunneln durch die Rosenheimer Region führt. Die Vertreter der Schutzgemeinschaft Hofstätter- und Rinser See (SHR) sind entsetzt und sehen die Natur und das Grundwasser um Prutting, Vogtareuth, Stephanskirchen und Söchtenau in Gefahr.
Teresa Pöller kann es noch gar nicht fassen. „Die Stimmung ist sehr getrübt“, sagt die Sprecherin der Schutzgemeinschaft am Telefon, knapp zwei Wochen nach dem Tag, an dem die Bahn ihre Vorzugstrasse des Brenner-Nordzulaufs vorgestellt hat. Die Schutzgemeinschaft sieht bei dem Vorhaben vor allem das Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Schutzgebiet „Moore und Seen nordöstlich von Rosenheim“ als gefährdet.
Wie entwickelt
sich der Untergrund?
Es umfasst unter anderem den Rinser See, den Siferlinger See sowie das Söchtenauer Weidmoos. Auch das Burger Moos am Hofstätter See sowie das Gewässer selbst gehören dazu. Das Moos sei nur einen Kilometer von der geplanten Tunneltrasse entfernt, sagt Josef Lechner. Der Vogtareuther Gemeinderat ist wie Teresa Pöller in der Vorstandschaft der Schutzgemeinschaft.
Jede Änderung im Untergrund ziehe Biotope wie das Burger Moos, das vom Grundwasser abhängig sei, in Mitleidenschaft. Josef Lechner befürchtet außerdem, dass das FFH-Gebiet „Innauen und Leitenwälder“ durch eines der Portale für den Tunnel Ringelfeld in der Gemeinde Stephanskirchen vernichtet werden könnte. Die Schutzgemeinschaft will deshalb die Planungen der Bahn nach FFH-Richtlinien in Brüssel gerichtlich prüfen lassen. Man arbeite dafür mit einer Hamburger Naturschutz-Anwältin zusammen, sagt Teresa Pöller.
Abgesehen von den Auswirkungen auf die Natur sieht die Schutzgemeinschaft das Trinkwasser in Prutting, Vogtareuth, Söchtenau und Stephanskirchen in Gefahr. „Das Grundwasser wird auf jeden Fall tangiert, egal ob die Trasse ober- oder unterirdisch kommt“, sagt sie. Damit wäre auch der neue Trinkwasserbrunnen im Vogtareuther Ortsteil Lochen betroffen. Dieser ist laut Lechner nur zwei Kilometer von dem geplanten Tunnel Ringelfeld entfernt. Das hatte Vogtareuths Bürgermeister Rudolf Leitmannstetter (ÜWG) in der jüngsten Gemeinderatssitzung bereits bestätigt. Lechner verweist auf Probleme mit Chemikalien bei anderen Bahntunnelbaustrecken und sieht den Vogtareuther Brunnen daher als „stark bedroht“.
Teresa Pöller macht sich zudem Sorgen um Stephanskirchen. Sie weist auf die Baustellen an den Portalen des Tunnels Ringelfeld hin. „Was wirklich auf sie zukommt, wissen viele Bürger nicht“, sagt sie. Die Trasse des Brenner-Nordzulaufs kommt laut Planung unterhalb von Leonhardspfunzen an und führt nahe Innleiten in den Hang hinein. Dort befinden sich zahlreiche Quellen sowie das Unternehmen St. Leonhardsquellen. Geschäftsführer Martin Abfalter nennt das Projekt einen „großen Eingriff“. Man wisse nicht, wie sich die Quellen entwickeln würden. Das Unternehmen sei mit der Bahn im Gespräch.
Auch Stephanskirchens Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie) zeigt sich besorgt. Der bereits fertiggestellte Brunnen des künftigen Trinkwasserschutzgebiets der Gemeinde sei nur rund 400 Meter von der Tunneltrasse entfernt. „Wir befürchten durch den Bahnbau Einflüsse auf die Grundwasserfließverhältnisse sowie auf bestehende und geplante Wasserschutzgebiete“, sagt er.
Thema im Gemeinderat
diskutieren
Das Thema Trinkwasser bewegt auch die anderen Gemeinden im Umkreis. Söchtenaus Bürgermeister Bernhard Summerer (CSU) ist hin- und hergerissen. Einerseits hofft er, dass seine Gemeinde von dem Projekt nicht betroffen ist. Andererseits könne er es aber auch nicht ausschließen. In der kommenden Gemeinderatssitzung wolle er mit dem Gremium darüber diskutieren.
Auch Prutting will nach Auskunft von Bürgermeister Johannes Thusbaß (CSU) weiterhin an der Sache dran bleiben. „Wir stehen mit den anderen Gemeinden im Austausch.“ Außerdem unterstütze die Gemeinde die Pläne der SHR, die Rechtmäßigkeit der Planungen prüfen zu lassen, zu „100 Prozent“.