Wo ist der Bär vom Samerberg?

von Redaktion

Große Aufregung am Samerberg: Am vergangenen Donnerstag will eine Spaziergängerin einen Bären in der Filze gesehen haben. Nicht das einzige Indiz, dass sich das Raubtier tatsächlich an der Hochries herumtreibt. Welche Spuren es gibt – und wie diese jetzt bestätigt werden sollen.

Samerberg – Das bedrohliche Grollen, die kräftige, hochgewachsene Gestalt, aufgerichtet auf den Hinterbeinen: Gaby Buchner ist sich sicher, in einem Waldstück in der Samerberger Filze einen Bären gesehen zu haben. Am Donnerstagnachmittag, 20. November, sei das gewesen, nicht weit von Törwang entfernt. Erst habe die Mountainbike-Trainerin ein „tiefes Brummen“ aus dem Wald gehört, dann habe sie das Tier für „rund drei bis fünf Sekunden“ gesehen. Zeit für ein Foto blieb nicht. „In dem Moment habe ich nicht überlegt, ich habe mich umgedreht und bin gerannt, das war Instinkt“, sagt Buchner.

Bericht
klingt plausibel

Plausibel, sagen Leute, die es wissen müssten. So wie Peter Weyerer, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Törwang. „Für sehr glaubwürdig“ hält Weyerer die Trainerin aus Samerberg, die nach eigenen Angaben mit Poldi, dem Hund des Nachbarn, Gassi ging, als sie die unheimliche Begegnung hatte. Weyerer war auch schon draußen, in etwa an der angegebenen Stelle. Und wollte die Aufklärungsmission am vergangenen Freitag mit weiteren Jägern vom Samerberg, wie Christoph Wörndl, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Grainbach, fortsetzen. Als „reine Vorsichtsmaßnahme“, wie Weyerer betont.

Auch Jagd- und Spürhunde könnten zum Einsatz kommen. Nicht, um das Raubtier aufzustöbern, sondern um aufzuklären, was da wirklich unterwegs war. „Entscheidend sind Spuren“, sagt Weyerer. Ihm geht es nicht nur um die Spuren, die der Bär mit seinen Tatzen im Waldboden oder im Schnee hinterlassen hat. „Frau Buchner hat berichtet, dass der Bär ein Tier gerissen haben könnte“, sagt Weyerer. Könnte das Beutetier des Bären gefunden werden, könnte über Speichel an der Risswunde über DNA-Abgleich sogar die Identität des Bären geklärt werden.

Auf Video nicht
sicher zu identifizieren

Wenn es denn einer war. Peter Weyerer hält dies für nicht unwahrscheinlich. Was die Spaziergängerin berichtet habe, sei stimmig. Und es decke sich mit Berichten von der Hochries. Dort wollen Wanderer am Samstag, 15. November, einen Bären gesichtet haben. Ein kurzes Handyvideo aus dem Bereich des Karkopfs und Feichtecks scheint dies zu bestätigen. Allerdings – sicher zu identifizieren ist der Beutegreifer nicht.

An Indizien für dessen Anwesenheit scheint es dennoch nicht zu mangeln. Bereits Anfang November sei im Gebiet der Hochries eine angefressene Gams gefunden worden. Das ist Gaby Buchner zu Ohren gekommen. Daher vermutet die Trainerin, dass sich das Raubtier schon länger in den Bergen aufhalten könnte. „Bislang hatte der da oben seine Ruhe, der Schnee wird ihn jetzt nach unten getrieben haben“, glaubt sie.

Mehr Übung in der Bären-Identifikation als Wanderer hätten womöglich die Experten vom Landesamt für Umwelt (LfU). Der Fachstelle „Große Beutegreifer“ am LfU sei am 21. November die mögliche Sichtung eines Bären gemeldet worden, erklärte die Behörde auf OVB-Anfrage. „Weitere Meldungen liegen nicht vor. Eine Prüfung des Standortes und der Umgebung auf Bärenhinweise (Trittsiegel, Losung, Spuren) wurde durch das LfU in die Wege geleitet.“ Aufnahmen lägen nicht vor, ebenso bislang kein neuer Nachweis.

Schreck steckt
in den Knochen

Gaby Buchner ist jedenfalls seit ihrer furchteinflößenden Begegnung in der Filze nicht zur Ruhe gekommen. „Ich komme eigentlich zu gar nichts mehr, eigentlich müsste ich arbeiten“, sagt sie am Telefon und lacht. Ständig müsse sie jetzt aber irgendwelche Fragen beantworten – entweder von Bekannten, von Behörden, Jägern oder Pressevertretern aus ganz Deutschland. Ganz zu schweigen von dem Schreck, der ihr nach wie vor in den Knochen steckt.

Der Bär hätte längst
auffallen müssen

Dass eine große Gefahr von dem Bären ausgeht, glaubt Buchner nicht. „Der will ja keinem was“, sagt sie. Das Tier sei wahrscheinlich nur auf der Suche nach Futter und einem geeigneten Platz für die Winterruhe. Für Gaby Buchner war trotzdem klar, dass sie möglichst vielen Menschen von ihrem Erlebnis erzählen muss. „Ich bin in der Verantwortung. Ich könnte es mir mein Leben lang nicht verzeihen, wenn da irgendwas passiert“, sagt sie. Sie denkt da an die vielen Kinder, Jogger, Radfahrer und Spaziergänger, die in der Samerberger Filze unterwegs sind. „Die Filze ist ja unser ‚Samerberger Outdoor-Fitness-Studio‘“, sagt Buchner. So sei es kein Wunder, dass im Dorf ein wenig die Sorge umgeht.

Die große Hektik und Angst scheinen rund um Törwang und Grainbach bislang aber nicht ausgebrochen zu sein. Der Besitzer von Poldi war am vergangenen Freitagvormittag schon wieder in der Filze unterwegs. „Ich habe Poldi auch von der Leine genommen“, sagt er auf OVB-Anfrage. Er habe nichts Ungewöhnliches bemerkt – geschweige denn einen großen Braunbären. Dass sich das Tier dort noch herumtreibt, glaubt er nicht. „So viele Menschen, wie da täglich rumlaufen, da wär ein Raubtier schon mehreren aufgefallen.“

Auch aus gut unterrichteten Kreisen am Samerberg war zu erfahren, dass die Bärensuche auch über das Wochenende ergebnislos blieb.

Von Zug erfasst
und getötet

Sollte sich der Bärenverdacht aber erhärten, wäre es das zweite Auftreten eines Braunbären seit dem Frühjahr 2023. Der damalige Braunbär hatte zunächst oberhalb von Oberaudorf Schafe gerissen und Tatzenspuren hinterlassen. Sein Auftauchen bescherte dem Berggasthof Bichlersee einen regelrechten Politikeransturm. Im Laufe der Wochen wagte sich der Bär immer näher an Dörfer. Schließlich wurde er im Juli 2023 nahe Salzburg von einem Zug erfasst und getötet.

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