Efa Mobile Zeiten

Mit Norbert Haug durch neue „Mobile Zeiten“

von Redaktion

Nach 16 Monaten Umbau eröffnet am Freitag, 1. März, wieder die Ausstellung „Mobile Zeiten“ in Amerang. Die Heimatzeitung durfte exklusiv einen Blick in die neue Ausstellung werfen – mit dem perfekten Museumsführer: Norbert Haug, 22 Jahre Motorsport- und Formel-Eins-Chef von Mercedes.

Amerang – Er fährt mit einem mattgrauen Mercedes CLS vor, eines der markantesten Fahrzeuge der Stuttgarter Flotte, und steht wenige Minuten später mittrahlenden Augen vor dem Flügeltürer 300 SL aus den 60er-Jahren: Norbert Haug kann sich auch für die Vor-Vor-Vor-Gänger der heutigen Sportwagen begeistern. Und wie: „Monumental“ findet er die Klassiker der deutschen Automobilgeschichte, die im neu gestalteten Museum „Mobile Zeiten“ in Amerang zu bewundern sind. „Wahre Kunstwerke sind das“, schwärmt der 66-Jährige, der die Neukonzeption des 1990 gegründeten Museums als Berater ein Jahr lang intensiv begleitet hat. „Diese Ausstellung, die die Geschichte des deutschen Automobils lückenlos darstellt, ist einmalig in Deutschland“, sagt Haug. Und schaut verzückt auf die Reihe der wuchtigen, auf Hochglanz polierten Automobile aus den 1920er-Jahren.

Bertha Benz‘ Patentwagen steht in der Ausstellung

Wer glaubt, Haugs Herz schlage nur höher, wenn sein Blick auf PS-starke Boliden fällt, hat sich getäuscht. Auch in der Wasserburger Straße, wo gleich zu Beginn des neugestalteten Automuseums Kleinwagen wie ein Goggo oder ein Messerschmidt Kabinenroller parken, kommt er ins Schwärmen. Hier steht unter anderem ein Käfer, ein Wagen, den Haug als Student selber gefahren hat. Ja, der langjährige Chef des Mercedes-Rennstalls hat seine Fahrerlaufbahn wie so viele Deutsche in seinem Alter mit dem Käfer begonnen. „An das erste Auto erinnert sich fast jeder. Fragen Sie mich nicht, was mein zweites oder drittes war.“

Erstes Modell der Automobilgeschichte, die weltweit in Deutschland ihren Anfang nahm, ist übrigens auch in Amerang zu bewundern: Ein Patentwagen von 1881, mit dem Bertha Benz die erste Überlandfahrt wagte und auf Anhieb 198 Kilometer schaffte. Bertha heißt auch eines der modernsten Fahrzeuge, die im Automuseum die Brücke von der Vergangenheit ins Heute schlagen: der Mercedes Benz S500. Das Forschungsfahrzeug fährt autonom – ein Grund, warum sich Haug nicht hinter das Steuer setzen würde. „Ich gebe das Lenkrad nicht aus der Hand“, sagt er bestimmt. „Ich bin ja schon als Beifahrer eine echte Katastrophe.“

Wann ist es so weit, dass den Menschen das Autofahren verboten wird, weil es die Maschine viel besser kann? Auch diese Frage wirft das neu konzeptionierte Museum der Ernst-Freiberger-Stiftung (EFA) auf. Es widmet sich nicht allein der glanzvollen Vergangenheit, sondern auch der von Diskussionen um Abgaswerte und Fahrverbote geprägten Gegenwart und wagt den Blick in die Zukunft. „Man hat heute das Gefühl, das Auto ist des Menschen Feind“, seufzt Haug. Er möchte dem Automobil in Amerang wieder den Stellenwert geben, der seiner Meinung nach angemessen ist, und ihm den Platz in der Geschichte einräumen, der ihm gebührt: als Garant für Mobilität und wirtschaftlichen Wohlstand. Fragt man den Journalisten und früheren Mercedes-Motorchef zum aktuellen Streit um Fahrverbote, kann der so ruhige, gelassen wirkende Autoexperte richtig emotional werden.

Diskussionen und Debatten rund um das Auto seien jedoch gewollt, sagt Markus Stuckmann, seit Dezember neuer Leiter der Ausstellung. Sie verstehe sich nicht länger als reine Dauerpräsentation, sondern als „Ort der Inspiration rund um das Thema Mobilität“, so Stuckmann. Der Pioniergeist aus den Anfängen der deutschen Automobilgeschichte solle erlebbar werden, weshalb auch zu Beginn der Ausstellung die Köpfe der Macher dieser Ära als Büsten zu sehen sind.

Haug und Stuckmann öffnen schwungvoll die Tür in die Ausstellungshalle und damit in die Welt der Automobile. 40 deutsche Hersteller gab es einmal, alle sind mit Modellen in Amerang vertreten. Nur drei Konzerne sind bis heute übriggeblieben. Auch diese Entwicklung ist ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte. Um sie erlebbar zu machen, hat die Ernst-Freiberger-Stiftung (EFA) mit ihrem Vorsitzenden, Unternehmer Ernst Freiberger, den prominenten Kulturhistoriker und Museumsfachmann Professor Dr. Christoph Stölzl ins Boot geholt. Der ehemalige Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums Berlin und künstlerische Leiter des Deutschen Pavillons auf der Expo 2000 in Hannover ist der geistige Vater des neuen Medienkonzeptes in Amerang. Hier stehen nicht mehr wie früher 220 Fahrzeuge aneinandergereiht wie an einer Perlenkette, sondern getreu dem Qualitätsprinzip „Weniger ist mehr“ 70 ausgewählte Fahrzeuge. Eine Selektion, die durch Texte, Filme und Audioguide-Beiträge in den Kontext ihrer Zeit gestellt werde, berichtet Stuckmann, während er Filmsequenzen der ersten Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt zeigt. Das Auto als Spiegel politischer Epochen und gesellschaftlicher Veränderungen – vermittelt in etwa zwei Stunden. Wobei: „Ich könnte hier Tage verbringen“, sagt Haug. „Hier dürfte man mich sogar mal über Nacht einsperren.“

Diese Nacht würde er vermutlich gemeinsam mit dem BMW Roadster 507 erleben – „eine echte Beauty“, wie Haug schwärmt. Dem Fahrzeug ist im Innern anzusehen, dass es schon einige Jahre auf der Haube hat. Die Ledersitze zeigen Gebrauchsspuren. Das ist gewollt: Denn alle Oldtimer in Amerang sind laut Museumsleiter Stuckmann Originale – mit einer Patina, die zu spüren ist. Auch der Mercedes 600 Pullman von 1963, ein fahrender Konferenzraum. Oder das erste Taxi von Berlin, das die Pferdedroschken ablöste.

Auslöser für das Automuseum Amerang war übrigens ein Mercedes 540 K Cabrio von 1927. Die Mutter von Unternehmer Ernst Freiberger schenkte den Wagen seinem Vater zum 60. Geburtstag. Damit begann seine Sammelleidenschaft. Innerhalb von drei Jahren hatte der Senior 250 Klassiker der deutschen Automobilgeschichte in seinen Besitz gebracht. 70 sind in der neuen Ausstellung zu sehen, die restlichen stehen im Depot. Sie würden ebenfalls auf Anfrage bei Führungen gezeigt, verspricht Stuckmann.

Das neue Museumskonzept sieht außerdem vor, dass hier Veranstaltungen stattfinden. Firmen oder Vereine können die Halle mieten – und beim Anblick der blank geputzten Karosserien tagen oder feiern.

Warum der ehemalige Formel-Eins-Chef für das Design schwärmt

„Was für ein Design“, sagt Haug und führt entlang der besonders intensiv bestückten Reihen der Nachkriegsmodelle. Wuchtige Hauben, breite, ausufernde Kotflügel, Lampen so groß wie Bullaugen, holzvertäfelte Armaturenbretter: Damals wirkten die Modelle noch unverwechselbar – ganz im Gegensatz zu den Fahrzeugen heute, die sich trotz unterschiedlicher Hersteller oft so ähnlich sehen. „Heute gibt es leider viele Zwänge“, erklärt Haug.

Basisvorschriften zum Unfallschutz engen den Spielraum der Designer stark ein. Hinzu komme die Massenfertigung. Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Straßen noch leer. Auto fuhren die Betuchten, ihr Wagen war ein Statussymbol. Das ist er bis heute geblieben, etwas, was die Klassiker von einst mit den Fahrzeugen von heute gemeinsam haben.

Trotzdem wird ein SUV der Neuzeit niemals mit einem Mercedes Supersport Toura von 1927 mithalten können, ist Ernst Freiberger überzeugt. Sein Lieblingsautomobil, von dem nur 300 Exemplare gefertigt wurden, ist fahrbereit – wobei Ausfahrten mit diesem Klassiker eine Herausforderung sind. Das Gaspedal ist in der Mitte, die Bremse rechts, gefahren wird mit Zwischengas.

Damit Oldtimer wie der schwarze Maybach, mit dem Konrad Adenauer kutschiert wurde, für die Nachwelt erhalten werden, hat die Freiberger Stiftung in eine neue Klimatechnik investiert.

Sie sorgt für ausgeglichene Feuchtigkeit und Temperaturen. 75 Prozent der Investitionen in den Umbau in Höhe von fünf Millionen Euro flossen in diese neue Technik. Sie versteckt sich hinter Türen, nicht sichtbar für den Besucher, aber von großer Bedeutung für das Ziel Freibergers, die Oldtimer für die Nachwelt zu bewahren. Sie sind es wert, findet Haug: „Diese Fahrzeuge sind Emotion pur.“

Öffnungszeiten

Hier dürfte man mich sogar einmal

über Nacht einsperren.

Norbert Haug, ehemaliger Mercedes-Sportchef

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