„Skandal“? Steuergeld gegen die Presse

von Redaktion

Ist die Pressefreiheit in Gefahr? Das befürchtet Ramerbergs Opposition und spricht von einem „Skandal“. Der Gemeinderat hat Geld für juristischen „Beistand“ freigegeben, sollte die Gemeinde der Ansicht sein, „dass was nicht passt“ in der Berichterstattung. Jetzt wird es emotional.

Ramerberg – Ramerberg kommt nicht zur Ruhe. Eine Auseinandersetzung jagt die andere. Im Fokus: die Sportplatzfrage. Im Juli war der Streit zwischen Bürgermeister Manfred Reithmeier (UWR) und dem Sportverein erneut eskaliert. Zweiter Bürgermeister Magnus Steinmüller (UWR) sieht die Presseberichterstattung als mitschuldig an der Misere. Er beantragte deshalb „vollumfänglichen juristischen Beistand gegenüber der Presse und Öffentlichkeitsarbeit“ für die Gemeinde und deren Vertreter.

Steinmüller nennt in seinem Antrag vom 16. Juli schriftlich als Anlass „die immer wieder, wöchentlich, verfassten und in der Öffentlichkeit verbreiteten Informationen über die Gemeinde Ramerberg durch die Presse bzw. Medien und deren Plattformen!“

„Was darf eigentlich öffentlich werden?“

Im Gemeinderat begründete er in öffentlicher Sitzung den Antrag auf anwaltlichen Beistand mündlich damit, „dass wir seit langer Zeit in der Pressearbeit aneinander vorbeireden“.

„Was darf eigentlich veröffentlicht werden, was nicht? Es kommen immer wieder Fragen auf“, findet er. Verwaltung, Bürgermeister und Gemeinderäte seien verunsichert. Sie würden Hilfe benötigen. Die Rechtsaufsicht beim Landratsamt könne nicht fachlich beraten, die Pressestelle in der Verwaltungsgemeinschaft Rott-Ramerberg dies auch nicht leisten.

Konrad Fuchs (NRL/FWR) hakte nach: Ob es um die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise im Gemeindeblatt gehe, oder um die mediale Berichterstattung, etwa aus Gemeinderatssitzungen? „Vollumfänglich“, betonte Steinmüller, es sei notwendig, dass ein Jurist „drüberschaue“, wenn es beispielsweise um Texte im Gemeindeblatt gehe, und um die Frage, was der Geheimhaltung unterliege und was nicht, nannte er als Beispiel. Der Rathauschef konkretisierte in Richtung Berichterstattung. Erst jüngst seien im Internet „Behauptungen aufgestellt worden, die nicht wahr sind.“ Fuchs wandte ein, wenn der Bürgermeister die Meinung vertrete, ein Sachverhalt sei nicht richtig dargestellt worden, sei eine Berichtigung oder Richtigstellung möglich. „Das ist doch überhaupt kein Problem.“ Auch das Instrument der Gegendarstellung gebe es.

„Ramerberg auf gefährlichem Weg“

Die NRL/FWR vertrat die Meinung, Ramerberg bewege sich im Umgang mit der Presse auf einem gefährlichen Weg. Die Pressefreiheit sei im Grundgesetz in Artikel 5 verankert, Gemeindevertreter sollten sich nicht anmaßen, die Arbeit der Medien kontrollieren zu wollen. „Schalten wir immer dann einen Juristen ein, wenn es uns nicht gefällt, was berichtet wird?“, lautete die Frage aus Reihen der NRL/FWR. Ob es nicht reiche, es privatrechtlich anzugehen.

Sophia Schuster (UWR) fand, es sei notwendig, „der Presse auf die Finger zu schauen“, wenn die Berichterstattung, wie sie meint, nicht stimme. Denn sie sieht auch den Ruf von Ramerberg gefährdet. Die Berichterstattung werfe oft ein schlechtes Licht auf die Kommune. „Die Leute zerreißen sich über uns das Maul. Das liegt an der Berichterstattung.“ Die Gemeinde werde öffentlich beleidigt, ist Rupert Riedl (UWR) überzeugt. Es sei auch an der Zeit, gegen Kommentare, die online und in den sozialen Medien „Hass und Hetze“ verbreiten würden, vorzugehen.

Maximilian Jaroljmek (NRL/FWR) zeigte sich fassungslos angesichts des Vorstoßes von Steinmüller. Jaroljmek vertrat die Meinung, die Presse stehe in der Verantwortung, richtig und ausgewogen zu berichten. „Da reinzugrätschen“, wenn die Berichterstattung nicht gefalle, sei nicht Aufgabe einer Gemeinde. „Nur, wenn was nicht passt“, werde die Gemeinde reagieren und sich anwaltlichen Beistand holen, betonte Reithmeier. Der nach der Diskussion nicht von ihm, sondern von seinem Vertreter Steinmüller verlesene Beschlussvorschlag, der dessen Antrag konkretisierte und vorher in der Sitzung nicht vorgetragen worden war, sorgte schließlich noch einmal für einen Aufreger.

„Ermessenssache
des Bürgermeisters“

Bis zu 15000 Euro dürfe für juristischen Beistand „zur Wahrnehmung der Interessen der Gemeinde bezüglich der Darstellung und Berichterstattung“ ausgegeben werden. Der Anwalt, den der Bürgermeister jetzt suchen solle, müsse die Gemeinde informieren, wenn es absehbar sei, dass diese Summe erreicht werde.

In welchem Zeitraum und wer darüber entscheide, wann der Jurist beauftragt werde?, wollten die Mitglieder der NRL/FWR wissen. „Das ist Ermessenssache des Bürgermeisters“, lautete die Antwort. Betroffene Gesichter bei der NRL/FWR. Mitglied Fuchs sprach von einem „Skandal“.

„Der liegt in den Berichten“, hieß es aus Reihen der Fraktion des Bürgermeisters. Fuchs forderte eine namentliche Abstimmung zum Beschlussvorschlag: Dagegen stimmten er, Florian Baumann, Maximilian Jaroljmek und Andres Ullmann, alle NRL/FWR. Dafür sprachen sich aus: Reithmeier, Steinmüller, Jürgen Zott (Dritter Bürgermeister), Sophia Schuster, Simone Tischer, Rupert Riedl und Fabian Tretter, alle UWR. Bernd Stawiarski (parteilos) war bei der Sitzung nicht anwesend.

Kreisverband warnt vor Lagerbildung

Eine Kommune, die aus Steuergeldern einen Anwalt für juristischen Beistand bezüglich Presseveröffentlichungen bezahlen will: Ist das ein einmaliger Fall? Bernd Fessler, Chef des Kreisverbands des Bayerischen Gemeindetags als Vertretungsorgan der Kommunen, will auf Anfrage den Beschluss in Ramerberg nicht kommentieren, „denn ich kenne den Anlass nicht.“ Nur so viel: „Es ist immer schwierig, wenn sich in einer Gemeinde zwei große Lager gebildet haben.“ Dann seien viele Vorgänge für Gemeinderat, Bürgermeister und Verwaltung nur schwer umsetzbar.

Bürgermeister verfügen nach Fesslers Angaben in der Regel über ein Budget, über das sie frei verfügen könnten. Das seien in Großkarolinenfeld, wo er Rathauschef ist, bis zu 30000 Euro. Die Geschäftsordnung in Ramerberg gibt dem Bürgermeister die Möglichkeit, überplanmäßig bis zu 2500 Euro auszugeben. Wenn er einen Anwalt benötigen würde, so Fessler, würde er als erstes die Rechtsschutzversicherung der Kommune daraufhin überprüfen, ob und in welchem Umfang diese den juristischen Beistand abdecke.

Der Beschluss im Wortlaut

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