Rosenheim – Andy Dellios kennt sich aus mit Haien. Er hat über 800 Tauchgänge weltweit mit Haien erlebt und gemeinsam mit dem Zürcher Haiforscher Dr. Erich Ritter – der vor vier Jahren verstorben ist – an verschiedenen wissenschaftlichen Projekten mitgearbeitet. Seit Jahren wieder hält er Vorträge, um die Haie den Menschen näherzubringen. Auch er hat den Fall verfolgt, bei dem eine deutsche Touristin vor den Kanaren von einem Hai angegangen wurde. „Das ist sehr, sehr traurig“, sagt er.
Was genau sich zugetragen hat, darüber kann auch der Schweizer nur spekulieren. Den Medien zufolge scheint festzustehen, dass die 30-jährige Frau, die aus Rosenheim stammen soll, auf einem britischen Katamaran im Atlantik unterwegs gewesen ist. Etwa 500 Kilometer südlich der Kanaren, vor der Küste der Westsahara, soll sie ins Wasser gesprungen und von einem Hai angegriffen worden sein. Dabei soll sie ein Bein verloren haben. So berichten es gleich mehrere Medien übereinstimmend. Anschließend sei sie mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus auf Gran Canaria transportiert worden. Noch in der Luft soll sie einen Herzstillstand erlitten haben.
„Die Konstellation der Faktoren war vermutlich sehr unglücklich“, sagt Dellios. Haie sind ihm zufolge Topräuber, trotzdem sei es oft der Mensch, der die gefährlichen Situationen kreiert. Umso wichtiger sei es, keine Geräusche zu machen, wenn man sich beispielsweise dazu entscheidet, ins Wasser zu gehen. Bei lauten Geräuschen werden die Tiere angelockt. „Oft macht man dann den Fehler und versucht, den Hai zu schlagen. Das löst dann natürlich eine Reaktion beim Tier aus“, sagt der Experte.
In der Regel komme es dann zu einem sogenannten Gaumenbiss. Also eine Art Test, um zu sehen oder zu fühlen, um welches Objekt es sich handelt. „Eigentlich ist der Biss meist oberflächlich, und es bleiben selten Spuren zurück“, sagt Andy Dellios. Das Problem: Häufig würden die Betroffenen – logischerweise – panisch reagieren und versuchen, ihren Arm oder ihr Bein aus dem Maul des Raubtiers zu reißen. Das wiederum führe zu Sekundärwunden mit teils größeren Verletzungen. Im schlimmsten Fall könnte so sogar eine Arterie verletzt werden.
Ob es sich auch so im Fall der 30-jährigen Frau zugetragen haben könnte, darüber will Andy Dellios keine Spekulationen anstellen. Er sagt nur so viel: „Das Tragische ist, dass die Frau den Medien zufolge gerettet werden konnte, dann aber vermutlich am Blutverlust oder aufgrund des Schocks verstorben ist.“ Zudem will er gehört haben, dass die Rettungskette nicht funktioniert habe. Demnach sollen Helfer aus Marokko nach dem Notruf die Hilfe verweigert haben, wohl weil sie „nicht über geeignete Rettungsmittel“ verfügen. „Das wäre wirklich unglaublich“, sagt Dellios.
Der Experte rät Menschen, die sich in einer brenzligen Situation mit einem Hai befinden, dazu, Ruhe zu bewahren und langsam in eine vertikale Position überzugehen. „Man sollte auf keinen Fall strampeln“, sagt er. Zudem sollte man das Raubtier immer anschauen. „Wenn Haie spüren, dass sie beobachtet werden, bleiben sie eher auf Distanz“, sagt er.
Sollte der Hai doch näher kommen, rät der Experte dazu, das Tier mit der Hand leicht von sich wegzudrücken. Was auch helfe, sei das Tier leicht an den Kiemen zu berühren – allerdings nur mit einem ausgestreckten Arm. Denn: Wann immer Haie einander töten wollen, gehen sie sich an die Kiemen. Wenn man trotz allem Opfer eines Zwischenfalls wird, sei es wichtig, dass die Retter die Situation zwischen Hai und Opfer so schnell wie möglich kontrollieren.
„Die Person muss in einem Ruck aufs Boot gezogen werden. Gelingt das nicht und sie fällt zurück ins Wasser, könnte es zu einem Besitzanspruch durch den Hai kommen“, sagt der Experte.
Anschließend muss versucht werden, die Blutung zu stoppen. Zudem muss die Küstenwache informiert werden – und zwar immer die des nächstgelegenen Landes.
Weitere Berichte zum Hai-Angriff finden Sie auf ovb-online.de