Aiwanger will „Narrenschiff“ versenken

von Redaktion

Scharfe Kritik an der Bundesregierung bei Wahlkundgebung in Rosenheim

Rosenheim – Zum Herbstfest-Auftakt ist es zwar noch ein wenig hin, dennoch wies die Wahlkundgebung mit Hubert Aiwanger, dem Bundesvorsitzenden der Freien Wähler (FW), in der Rosenheimer Auerbräu-Halle Züge von Volksfestcharakter auf. Bayerischer Defiliermarsch zum Auftakt, Bayernhymne zum Abschluss. Wenngleich das Ritual durchaus zu einer CSU-Veranstaltung gepasst hätte, ließ es Aiwanger in seiner rund einstündigen Rede nicht an kleinen Seitenhieben und Abgrenzung zum Koalitionspartner in der bayerischen Staatsregierung mangeln. Dennoch beseitigte er jeden Zweifel daran, dass die Freien Wähler nach dem erhofften Einzug in den Bundestag für eine Koalition der bürgerlichen Mitte bereitstehen – natürlich mit den Christsozialen als Partner.

FDP Wiedereinzug in
Bundestag gewünscht

„Das Narrenschiff in Berlin gehört versenkt“, so der Redner, der ohne Manuskript sprach. Dazu brauche es die CDU/CSU unter Führung eines Bundeskanzlers Friedrich Merz, aber auch der FDP gönne er den Wiedereinzug ins Parlament. „Vielleicht sind die Liberalen nach drei Jahren Ampel noch resozialisierbar“, so die Hoffnung des FW-Bundesvorsitzenden.

Immer wieder von Beifall unterbrochen, stufte er die Grünen dagegen eindeutig als hoffnungslosen Fall ein. „Die müssen raus aus der Regierung. Wenn Merz in einer Koalition von dieser Partei abhängig wird, dann wird sich nichts ändern“, prophezeite Aiwanger. Scharf grenzte er sich auch von der AfD ab, vor deren Erstarken beim Urnengang am 23. Februar er eindringlich warnte.

„Wenn die AfD immer stärker wird, dann sitzt Rot-Grün wieder in der Regierung“, so seine Analyse. Um dies zu verhindern, kämpfe er für ein Bündnis aus der bürgerlichen Mitte heraus, das künftig die Leitlinien der Politik in Deutschland bestimme. „Was Bayern guttut, das tut auch Berlin gut.“

Dass die Parolen der AfD die Funktion eines Weckrufs haben müssten, das steht für Bayerns Wirtschaftsminister allerdings außer Zweifel. „Es ist traurig, dass wir eine AfD brauchen, um zu erfahren, dass in der Migrationspolitik vieles schiefläuft“, sagte er wörtlich. Es sei ein Unding, dass sich das Wort Vaterland kaum mehr jemand in den Mund zu nehmen traue.

Sichere Grenzen, an denen illegale Zuwanderer zurückgewiesen werden, und die Ausweisung von Straftätern ohne deutschen Pass – Rezepte, mit denen die FW unter anderem die Probleme einer verfehlten Migrationspolitik lösen wollen. „Nach Aschaffenburg ist das Maß wirklich voll“, sagte Aiwanger mit Verweis auf den jüngsten Messerangriff in der Stadt. Ein 28-jähriger Afghane steht im Verdacht, zwei Menschen ermordet und mehrere schwer verletzt zu haben.

Seine Aufforderung an die Justiz, „genau hinzuschauen“, bezog der stellvertretende Ministerpräsident auch auf Massenvergewaltigungen durch Straftäter, die dem Islam angehören. „Wer sich an unseren Frauen und Kindern vergreift, der gehört eingesperrt und dann nach Hause geschickt. Sie dürfen kein Freiwild für islamistische Gruppierungen sein.“ Generell plädierte Aiwanger insbesondere für die Rückführung von Syrern und Afghanen, „denen wir zu großzügig unsere Türen geöffnet haben.“ Das sollte neben Straftätern auch für arbeitsfähige Menschen gelten, die nach zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland immer noch keinen Job angenommen haben.

„Wir wissen alles besser, verlieren aber jeden Tag an Wirtschaftskraft“, rechnete er zudem scharf mit der Wirtschaftspolitik der Ampel ab. Gleichzeitig pries der Minister trotz mancher Differenzen die Zusammenarbeit in der Bayerischen Staatsregierung. „Dieses Modell täte auch Berlin gut.“

Was die FW in der Bundespolitik bewegen wollen, fasste der Redner in Kernforderungen zusammen: unter anderem Steuern runter, Bürokratieabbau, Industrie, Handwerk und Mittelstand stärken, Schutz des Eigentums, Abschaffung der Erbschaftssteuer und Verzicht auf eine Vermögenssteuer: alles Maßnahmen, die zum Programm gehören, mit dem die Partei wieder Wachstum schaffen will. Die FW sehen sie als eine wichtige Grundvoraussetzung zur Erhaltung des Wohlstandes und der sozialen Gerechtigkeit an.

Trotz seines klaren Bekenntnisses zur EU sparte er auch nicht mit Kritik an ihr, insbesondere EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nahm er ins Visier. „Es muss nicht jeden Tag neuer Mist aus Brüssel kommen, auf den Berlin noch was draufsattelt“, so Aiwanger. In diesem Zusammenhang schlüpfte er dann rasch in gewohnter Manier in seine Rolle als Fürsprecher der Bauern.

Er plädierte für eine Stärkung statt einer Reduzierung der Tierhaltung, um die Ernährungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Da war dann auch der Bogen zur Wolfsproblematik rasch gespannt, dessen Schutzstatus Aiwanger absenken möchte. „Wo die Tierhaltung der Landwirte durch den Wolf gefährdet ist, da passt er nicht hin – genauso wenig wie die Ameise in die Speisekammer passt. Solche Problemwölfe gehören abgeschossen.“

Ähnlich drastisch fiel der Vergleich aus, den er zwischen Klimaschutz und Fußballschuhen zog – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Kritik an der Haltung der Staatsregierung, für das Erreichen der Klimaneutralität in Bayern einen längeren Zeitraum als bisher geplant ins Auge zu fassen. „Ich kann anstatt mit Fußballschuhen, die Stollen haben, auch barfuß kicken. Das ist am rasenschonendsten. Am Schluss habe ich dann blaue Haxen, und das Spiel ist verloren.“

Musikalische
Umrahmung

So umschrieb Aiwanger die Wettbewerbsnachteile, die Deutschland drohten, wenn es beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle für die Umsetzung von Maßnahmen einnehme, die andere Länder zeitlich streckten.

An dem Abend, der von der Kapelle „Beirer Blech“ umrahmt wurde, durfte zum Abschluss Werbung in eigener Sache nicht fehlen. „Die große Mehrheit der Bevölkerung tickt noch richtig. Ich hoffe, dass wir bald eine Regierung haben, die auch wieder richtig tickt.“

Nach dem Geschmack der rund 700 Besucher der Veranstaltung tickte der FW-Bundesvorsitzende jedenfalls goldrichtig – als leidenschaftlicher Wahlkämpfer für eine Partei, die sich an diesem Abend von ihren Anhängern gerne mit dem Attribut als „Erfinder des gesunden Menschenverstandes“ feiern ließ.

Artikel 7 von 11