Traunstein/Rosenheim/Österreich – Die Wurzeln eines Serienbetrugsverfahrens rund um Tankkarten reichen zurück zu einer Polizeikontrolle am 3. Oktober 2022. Mitten in der Nacht zogen Schleierfahnder auf der Autobahn A93 bei Raubling einen Pkw mit slowenischen Kennzeichen aus dem Verkehr. Einer der zwei Insassen von damals, ein 49 Jahre alter Angeklagter, muss sich seit gestern fünf Tage lang vor der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein verantworten. Der Prozess geht am 19. März um 9.15 Uhr weiter. Mit dem Urteil wird am 4. April gerechnet.
Brisante
Fracht
Am Steuer saß bei der Kontrolle im Oktober 2022 ein serbischer Staatsangehöriger. Der jetzige Angeklagte begleitete ihn als Beifahrer. Die Polizisten fanden in dem Auto eine brisante Fracht – alles, was man zum Duplizieren gestohlener Tankkarten benötigt. Neben einem Laptop waren ein Kartenlesegerät sowie 24 so genannte „White Plastics“, also Scheckkartenrohlinge, an Bord. 14 davon hatte der Fahrer bereits mit Daten von erbeuteten Tankkarten beschrieben. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass man es mit einer kriminellen Bande zu tun hatte, die mit dem Vervielfältigen echter Tankkarten und mit dem Einsatz der „Doppelgänger“ enormen Gewinn machte.
Die duplizierten Karten wurden in der ganzen EU eingesetzt, um an „kostenlosen“ Kraftstoff zu gelangen. Mitglieder der Bande brachen vorher in geparkte Lkws ein, durchsuchten die Fahrerkabinen nach Tankkarten und zugehörigen PINs. Das Landgericht Traunstein verurteilte den Fahrer im November 2023 wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in 26 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten.
Elf derartige Einbrüche mit einer Schadenssumme von 50 000 Euro legt Staatsanwalt Nils Wewer in dem jetzigen Verfahren dem 49-Jährigen zur Last. Dass dieser selbst auch mit den Kartenbetrügereien zu tun hatte, stellte sich erst im Lauf weiterer Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Traunstein heraus. Ende März 2024 wurde der 49-Jährige aufgrund eines europäischen Haftbefehls in Österreich festgenommen und am 24. April 2024 nach Deutschland ausgeliefert. Seither befand er sich in Untersuchungshaft. Der Fall landete zunächst vor dem Amtsgericht Rosenheim. Als sich abzeichnete, dass das dort zur Verfügung stehende Strafmaß von maximal vier Jahren möglicherweise nicht ausreichen könnte, wurde das Verfahren an das Landgericht verwiesen.
„Aus Fürsorgepflicht gegenüber dem Angeklagten“ verwies Kammervorsitzender Dr. Florian Richter auf den Wert eines Geständnisses und dessen bisherige Einlassungen laut Aktenlage. Die Vorwürfe rührten demnach von „einer Liste saudummer Zufälle“ her – mit verliehenen Autos und Handys oder mit lediglich vom Angeklagten geleisteten Fahrdiensten. In polizeilichen Vernehmungen hatte er laut Dr. Richter nur wenige Dinge eingeräumt. So stieg er angeblich einmal in einen Lkw ein, öffnete auch mal ein Tor. Mal habe er in den früheren Aussagen von einigen „Hauptpersonen“ gewusst, dann wiederum nicht mal, dass es um Tankkarten ging. Dr. Richter erinnerte den Angeklagten daran, der schon rechtskräftig verurteilte Fahrer habe in seinem Prozess alle Vorwürfe eingeräumt und den 49-Jährigen als Mittäter genannt.
Darüber hinaus sei der Pkw des 49-Jährigen an vielen Tatorten der Anklageschrift gesichtet worden. Entsprechende Funkzellenortungen existierten. In Akten der tschechischen Polizei gebe es „schöne Bewegungsprofile“, betonte der Vorsitzende. Man könne genau nachvollziehen, welche Handynummer wann wo war. Einzelheiten würden Polizeibeamte am 19. März schildern. Dr. Richter hob an die Adresse des Tatverdächtigen heraus: „Es ist Ihr gutes Recht, zu erzählen, was Sie wollen. Es ist jedoch möglich, dass wir Ihre Version am Ende nicht glauben.“ Ohne Geständnis falle eine eventuelle Freiheitsstrafe deutlich höher aus, mahnte Dr. Florian Richter.
Verteidiger Maximilian Hoh aus Rosenheim informierte, sein Mandant mache aktuell keine Angaben zur Sache. Der 49-Jährige wolle sich nochmals mit ihm beraten. Ob dann eine Einlassung erfolgt oder nicht, vermochte der Verteidiger gestern nicht zu sagen.kd