Waldkraiburg – „Weiß nicht, was ich verbrochen habe“: Ein abgelegenes Häuschen am Inn, in der Nähe von Waldkraiburg. Mit großem Garten für die Kinder zum Toben. Für diesen Traum hat Markus Zehentmaier 400000 Euro hingelegt. Doch er darf das Haus nicht renovieren und nicht bewohnen. So urteilt das Verwaltungsgericht.
Ein kleines Haus, umgeben von grünen Wiesen, der Inn fließt nur wenige Meter unterhalb vorbei. Als Markus Zehentmaier den Kaufvertrag für das Grundstück samt Gebäude in Froschau bei Waldkraiburg unterschreibt, freut er sich darauf, bald mit seiner Familie hier einzuziehen. Und darauf, ans Werk zu gehen: Der gelernte Handwerker möchte aus dem renovierungsbedürftigen Gebäude ein Zuhause für sich, seine Frau und die zwei Kinder machen.
„Ich habe das Anwesen als Wohnhaus gekauft, da hieß es, das darf renoviert werden”, erinnert er sich, wie vor rund fünf Jahren alles begann. Er war motiviert, besorgte sich einen Container und begann zu entrümpeln. Dabei entsorgte er auch drei Deckenbalken. „Die waren verfault und haben statisch keine Rolle gespielt”, betont Architekt Erik Gischke. Doch sie sollten ihm zum Verhängnis werden: Die Stadt Waldkraiburg verhängte einen Baustopp. Seitdem herrscht Stillstand. „Ich darf nichts machen, nicht mal einen Nagel reinhauen”, verdeutlicht Zehentmaier.
Gericht schaut sich
Gebäude vor Ort an
Er reicht beim Verwaltungsgericht in München Klage gegen die Stadt Waldkraiburg ein, weil diese ihm keine Baugenehmigung für Instandhaltungsmaßnahmen erteile. Nun reisten Richterinnen und Richter zur Verhandlung an, um das Gebäude persönlich in Augenschein zu nehmen. Dass Renovierungsbedarf da ist, daran bestand kein Zweifel. „Die Außenwand zeigt deutliche Verwitterungsspuren, teilweise liegt das Ziegelwerk frei”, ließ der Vorsitzende Richter Uwe Schöffel im Protokoll festhalten. Bei den Fenstern handelt es sich zum Teil um verwitterte Holzrahmen, zum Teil um neuere Modelle. Der nächstgelegene Bauernhof liegt etwa einen halben Kilometer Luftlinie entfernt.
„Die Straße hierher ist sehr schlecht”, ergänzt Verwaltungsamtsrat Thomas Heigl von der Stadt Waldkraiburg. „Darauf kommt es nicht an”, beschwichtigt Schöffel, der von Anfang an deutlich macht, dass sein Urteil bereits steht. Er stellt klar: „Gegenstand der Verhandlung ist eine Baugenehmigung und die ist nicht erteilt, wir sind nicht wegen bauaufsichtlichen Maßnahmen da.”
Im Inneren des Gebäudes sind die Mauern im östlichen Teil von Putz befreit, unter manchen Fenstern befinden sich Löcher im Mauerwerk, die den Blick ins Freie zulassen. Während der Begehung fliegt ein kleiner Vogel ins Gebäude. Allein der Dachstuhl ist augenscheinlich neuer. Unter diesen Umständen lebt in Froschau niemand, das steht fest. „Nötige Bauarbeiten gehen über Instandhaltungsarbeiten hinaus und brauchen daher eine Baugenehmigung”, erklärt Schöffel.
Für den Richter entscheidend: „Wir sind hier im Außenbereich und der ist nicht zur Wohnraumschaffung da.” Anders würde sich das nur gestalten, wenn das Gebäude zuletzt für längere Zeit offiziell bewohnt worden wäre und das sei nicht der Fall. „Also ist das eine ganz eindeutige Sache”, sagt Schöffel. Anwalt Tilman von Kuepach, der Zehentmaier in der Sache vertritt, bringt den Denkmalschutz ins Spiel. „Aber die vorgenommenen Änderungen nehmen den Denkmalwert”, lässt Schöffel keine Hoffnung zu. Zehentmaier würde gerne die drei baufälligen Balken – laut ihm die einzige vorgenommene Maßnahme – wieder drauflegen, aber auch das dürfe er nicht. In den Augen von Verwaltungsamtsrat Heigl ist bereits mehr passiert: „Der Knackpunkt ist für mich, dass schon so rumgebaut und rumgerissen wurde – die ganze Decke wurde entfernt.” Aber auch ohne dieses Handeln sei eine Baugenehmigung äußerst fraglich. „Der Außenbereich ist der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten, alles andere ist im Regelfall nicht zulässig.”
Negativ auf Zehentmaier fällt auch zurück, dass der Dachstuhl offensichtlich jüngeren Datums ist: Diesen hatte die Mutter der Vorbesitzerin vor rund 20 Jahren erneuern lassen, da es ins Haus geregnet habe. „Bauarbeiten des Vorgängers muss man sich anrechnen lassen und die Genehmigung des Dachstuhls ist Gegenstand der Klage – es geht nicht um persönliche Schuld”, erklärt Schöffel. Letztlich ist die Lage im Außenbereich entscheidend, dass Richter Schöffel die Klage deutlich abweist. „Auf alles andere kommt es nicht an.” Über 400000 Euro hat Zehentmaier nach eigenen Angaben für das Anwesen hingelegt, das ihm als Wohnhaus verkauft wurde. „Da müssen Sie sich an Ihren Makler wenden, der hat Ihnen Schmarrn erzählt: Das ist kein Wohngebäude”, stellt Schöffel klar.
„Ich kaufe ja nicht etwas, wenn ich nicht einziehen darf”, sagt Zehentmaier nach der Verhandlung mit Unverständnis. Das Gebäude ist erschlossen, hat eine Hausnummer, Strom und einen Telefonanschluss. Zwischen 1868 und 1870 entstand das Gebäude laut Staatsarchiv München und wurde zeitweise als Fährhaus genutzt. Von Kuepach macht das Problem deutlich: Das Wohnen im Gebäude wurde aufgegeben, Bauakten für das heutige Anwesen gibt es nicht.
Dass die Sache solche Ausmaße annimmt, damit hat Zehentmaier nicht gerechnet. „Ich weiß gar nicht, was ich verbrochen habe, ich hätte seit vier Jahren hier unten wohnen mögen”, sagt er. „Wir haben gemeint, wir machen alles richtig”, beteuert auch Architekt Gischke.
Eine Lösung ist
unwahrscheinlich
Dass es noch zu einer Lösung kommt, hält Heigl für unwahrscheinlich. „Eine Genehmigung ist nicht möglich, nur genehmigungsfreie Arbeiten, wie Fenster einbauen oder Leitungen verlegen, dürfen durchgeführt werden – das gilt nicht für den Einzug einer zusätzlichen Decke”, erklärt er. Eine Ausnahme könnte allein ein privilegiertes Vorhaben, etwa durch eine landwirtschaftliche Nutzung sein. Anwalt von Kuepach sieht das Urteil kritisch: „Die Folge all der Bürokratie wäre, dass das Haus verfällt.”