Schwarz-graue Zeiten zum neuen Jahr

von Redaktion

Wegen aktueller Verordnung müssen Tätowierer bis auf Weiteres auf Farben verzichten

Rosenheim/Kolbermoor – Anfang Januar ist eine neue Version der sogenannten Reach-Verordnung in Kraft getreten. Das EU-Regelwerk für Chemikalien verbietet seitdem Tätowierern die Nutzung bestimmter Farben, die Zusätze enthalten, die laut Verordnung verboten sind. Tätowierer in Rosenheim und Kolbermoor sind von der neuen Regel wenig begeistert, vor allem, weil sie „den Aktionismus“ aus Brüssel nicht wirklich nachvollziehen können.

Unzureichende
Datengrundlage

Betroffen sind Produkte mit bestimmten Binde- oder Konservierungsmittel, die im Verdacht stehen, allergische Reaktionen auszulösen. Bewiesen, findet Benjamin Attenburger, sei dies jedoch noch lange nicht. „Das ist eine Schweinerei, weil es auf Hörensagen beruht und nicht auf einer wissenschaftlichen Datengrundlage“, klagt der Betreiber des Rosenheimer Tattoo-Studios „Straight Line“. Für ihn und seine Kollegen bedeutet das Verbot seit dem 4. Januar zunächst einmal, dass es keine Farbtattoos mehr gibt. Für die Schwarztöne gebe es seit rund zwei Jahren einen Hersteller, der diese nach den Vorgaben der Reach-Verordnung herstelle. Tröstlich für ihn ist, dass sich sein Studio ohnehin auf Tätowierungen in schwarz-weiß konzentriert. Aber nach seiner Schätzung liegt der Anteil an farbigen Tattoos in anderen Studios bei rund 50 Prozent.

Ab sofort sind zwei bestimmte Farbpigmente mit den Namen „Blau 15:3“ und „Grün 7“ verboten, die häufig bei Tattoofarben zum Einsatz kommen, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einem Papier schildert. Die Behörde gab im vergangenen Jahr eine Einschätzung über die Gefahren dieser Stoffe ab. Dort ist man anderer Auffassung als die Europäische Union.

Die derzeit verfügbaren Daten für besagte Stoffe zeigten für beide Substanzen eine „vergleichsweise geringe Toxizität“, heißt es vonseiten der Behörde. Die moniert jedoch ebenso die derzeit vorhandene Datengrundlage, die „verbessert werden sollte“. Berücksichtigt werden sollte aber auch, dass beide Pigmente seit mehr als zehn Jahren in Tätowiermitteln im Einsatz seien, ohne dass Auffälligkeiten bekannt wurden.

Kurz nach dem Jahreswechsel hat Gerda Pixner ihre ganzen Tattoo-Farben entfernt. Sie betreibt in Kolbermoor das Tätowier-Studio „Gery‘s Garage“. Besagte Farben muss sie zwar nicht wegwerfen, unter die Haut ihrer Kunden darf sie die Tinten jedoch nicht mehr bringen. Maximal für „malerische Zwecke“ dürfe sie die Reste noch verwenden, wie sie sagt. Die Hoffnung, dass sich die EU doch noch zu einer Übergangslösung durchringen könnte, mit der sie zumindest ihre Altbestände aufbrauchen könnte, ist inzwischen begraben. „Wir warten alle sehnsüchtig, dass die Anbieter Reach-konforme Farben anbieten“, berichtet Pixner über die Stimmung innerhalb ihrer Zunft.

Blickt man auf die Schließungen der Tattoo-Studios während der Corona-Lockdowns, hätte es diese neue Verordnung nun wirklich nicht auch noch gebraucht. Pixner spricht wie viele ihrer Kollegen in der ganzen Republik von Willkür, bei der Entscheidung, gewisse Zusätze und künftig auch gewisse Farbpigmente bei Tattoo-Farben zu verbieten. Denn wissenschaftliche Erkenntnisse, die das Verbot rechtfertigten, gebe es keine.

Geldbuße
bis 50000 Euro

Ob die neuen regelkonformen Farben preislich stärker ins Kontor schlagen als die alten, kann Pixner noch nicht absehen. Eine Flasche der bisherigen Tinten koste 22 Euro, 40 von diesen habe sie in der Regel auf Vorrat. Zwar gebe es schon die ersten Angebote neuer Farben, diese müsste Pixner aber aus den USA importieren, was mit Zoll- und höheren Transportkosten verbunden sei.

Für die Kontrollen der neuen Regeln ist die Lebensmittelüberwachung der Stadt Rosenheim beziehungsweise des Landkreises zuständig. In der Stadt Rosenheim will man zumindest bereits im ersten Halbjahr damit starten. Dann werden in den Studios Proben der Farben genommen und zur Untersuchung an ein Labor gesendet. Bei entsprechenden Verstößen droht eine Geldbuße bis zu 50000 Euro.

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