Rosenheim – Benjamin Löhner ist Sozialarbeiter und Berater bei der mudra-Drogenhilfe. Bei einem Vortrag in Rosenheim klärte er jetzt über Herausforderungen der kommenden Cannabisregulierung auf. Mit den OVB-Heimatzeitungen sprach er über Hilfsangebote und darüber, dass es Regeln braucht.
Sie haben in Ihrem Vortrag gesagt, dass die erste Herausforderung für die Politik darin besteht, die Zugänge für Hilfsangebote für junge, problematisch konsumierende Menschen weiterdenken zu müssen. Wie kommen Sie dazu?
Benjamin Löhner: In Deutschland haben wir ein sehr gutes Hilfesystem. Es gibt viele verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Beratungsstellen oder Behandlungsangebote. Ein großes Problem ist aber, dass gerade junge Menschen mit problematischem Cannabiskonsum viel zu spät in diesen Hilfen ankommen.
Woran liegt es Ihrer Meinung, dass junge Menschen meistens zu spät erreicht werden?
Das hat unterschiedliche Gründe. Unter den aktuellen Bedingungen des Cannabisverbots ist beispielsweise der Konsum stigmatisiert und er wird deshalb häufig tabuisiert. Junge Menschen trauen sich oft viel zu spät, mit Eltern oder mit Lehrern über ihre Cannabisprobleme zu reden oder ein Hilfsangebot wahrzunehmen.
Gibt es noch weitere Zugänge?
Eine zweite Möglichkeit sehe ich in Online-Zugängen. Gerade in virtuellen Räumen halten sich junge Menschen oft auf und auch dort spielt das Thema Cannabiskonsum eine wichtige Rolle. Wir schaffen es in der Drogenhilfe noch nicht ideal, unsere Angebote in diesen virtuellen Räumen zu platzieren. Wir müssen da noch besser werden.
Jüngere Menschen werden vor allem von Pflichtkontexten abgeschreckt: Woran liegt das?
Der Erstkontakt zu Hilfsangeboten erfolgt häufig über die Justiz. Junge Menschen werden beispielsweise mit einer geringen Menge Cannabis erwischt und bekommen vom Gericht die Auflage, sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Wenn sie das nicht tun, folgen weitere Sanktionen wie zum Beispiel Jugendarrest. Aus diesem Grund werden die Angebote von den Jugendlichen oft nicht als Unterstützung, sondern als Zwang wahrgenommen. Junge Menschen kommen dann dort an und sehen für sich selbst keinen Unterstützungsbedarf. Das kann für den Berater sehr herausfordernd sein.
Die von Ihnen genannte zweite Herausforderung besteht darin, Schnittstellen zu bearbeiten. Was fordern Sie, was sich hierbei endlich ändern muss?
Eine gute Sache ist, dass junge Menschen mit problematischem Cannabiskonsum oft schon an unterschiedlichen Stellen angebunden sind. Zum Beispiel in Schulen, Jugendzentren oder auch in stationären Jugendeinrichtungen. Das Problem in Deutschland ist aktuell jedoch, dass häufig das Thema Cannabiskonsum als Aufgabe der Drogenhilfe angesehen wird. Andere Bereiche klammern es häufig aus.
Können Sie das genauer erklären?
Am Beispiel der stationären Jugendhilfe kann man das gut verdeutlichen. Es ist meiner Erfahrung nach oft so, dass sich die Mitarbeiter mit dem Thema Cannabis sehr unsicher fühlen. Vielen Mitarbeiterinnen fällt es zum Beispiel schwer, gemeinsam mit den Jugendlichen an ihrem Cannabiskonsum zu arbeiten. Meine Forderung ist deshalb, dieses Inseldenken aufzulösen. Cannabis sollte nicht nur in Drogenberatungsstellen zum Thema werden, sondern überall dort, wo sich junge Konsumenten aufhalten.
Welche Regeln brauchen solche Einrichtungen und wie sollten sie mit Regelverstößen umgehen?
Grundsätzlich sollten Einrichtungen, in denen junge Menschen leben oder ihre Zeit verbringen, Regeln bezüglich des Konsums von Alkohol, Tabak und auch anderen Drogen wie Cannabis aufstellen. Natürlich müssen sich die Einrichtungen dann auch überlegen, wie sie mit Regelverstößen umgehen, zum Beispiel wenn Jugendliche in der Einrichtung Cannabis dabei haben.
Hier muss also die richtige Balance gefunden werden?
Es ist ein Spannungsfeld zwischen einerseits klare Konsequenzen aufzuzeigen, andererseits aber auch das Thema produktiv aufzugreifen. Also zum Beispiel mit den Jugendlichen über Cannabis ins Gespräch zu kommen und ihnen möglicherweise Unterstützung anzubieten. Man sollte hier nicht überreagieren, zum Beispiel indem man vorschnell Jugendliche aus einer Einrichtung entlässt. Dieser Balanceakt gelingt nur, wenn sich Mitarbeiter schon im Vorfeld damit auseinandersetzen, wie sie bei Regelverstößen am besten reagieren.
Die nächste Herausforderung ist, dass Präventionen und Gesundheitsförderung im Kontext des Cannabiskonsums komplexer gedacht werden müssen. Wie stellen Sie sich das vor?
Durch Präventionsangebote soll verhindert werden, dass Menschen ein Problem mit Cannabis bekommen. Hier sehe ich zuallererst ein Potenzial in der geplanten Cannabisregulierung. Durch die Enttabuisierung können junge Menschen offener über ihren Konsum sprechen, das macht Prävention leichter. Wir sollten aber die Themen Prävention und Gesundheitsförderung viel größer denken.
Interview: Jennifer Bäuerlein