Vom Ruhestand zum Widerstand

von Redaktion

Rosenheimer Omas gehen heute auf die Straße – Mahnwache gegen Rechtsextremismus

Rosenheim – Claudia Lübbert blickt mit Sorge in die Zukunft. „Unsere Demokratie steht unter Feuer“, sagt sie. Vor einem Jahr ist die 62-Jährige von Köln nach Rosenheim gezogen. Sie mag die Berge, liebt die Umgebung. Sie ist glücklich. Und doch wird ihr Glück von der politischen Situation getrübt. Von den Ergebnissen der Europawahl, aber auch dem bangen Blick auf die Wahlen, die noch anstehen. Die Bundestags- und Kommunalwahl. „Ich wollte einfach etwas tun und nicht tatenlos rumsitzen“, sagt sie.

Schnell gemeinsame
Themen gefunden

Bei einer Demo im Salingarten im Februar sei sie dann auf eine Frau aufmerksam geworden, die ein Schild mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts“ trug. Die beiden seien ins Gespräch gekommen, hätten schnell gemeinsame Themen gefunden. Aus zwei Frauen wurden fünf, dann 15. „Wir sind alle mehr oder weniger spontan zusammengekommen“, bestätigt Nicole Kuhns. Sie gehört mit 46 Jahren zu den jüngeren Omas in der Initiative.

Es ist eine Initiative, die immer noch ganz am Anfang steht. Aber die Ziele sind klar. „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, sichtbar gegen Rechtsextremismus aufzutreten und die Demokratie zu schützen“, sagt Claudia Lübbert. Damit das gelingen kann, nehmen die Omas an Demonstrationen teil, vernetzen sich mit anderen Gruppen und bilden sich in Seminaren weiter. Erst kürzlich sei ein Teil der Mitglieder bei einer Schulung über Alltagsrassismus gewesen. „Wir haben die Wahrheit nicht gepachtet. Deshalb wollen wir uns als Gruppe selbst sensibilisieren“, sagt Nicole Kuhns.

Ihr sei es wichtig, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Egal mit wem. Um über Dinge wie Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten oder Anti-Feminismus zu sprechen. Zu verstehen, woher die unterschiedlichen Standpunkte kommen und für Aufklärung zu sorgen. Zumindest ein wenig. Denn, dass die 46-Jährige nicht jeden erreichen kann, sei ihr auch klar. „Aber ich möchte nicht, dass mich meine Enkel irgendwann fragen, was ich eigentlich getan habe und ich darauf nichts erwidern kann“, sagt sie. Aus diesem Grund hat sie sich – ähnlich wie Claudia Lübbert – der Initiative „Omas gegen Rechts“ angeschlossen. Die Idee dazu kommt von Monika Salzer aus Österreich. Nach der Gründung im Jahr 2017 trommelte im Jahr darauf die Aktivistin Anna Ohnweiler in Nagold die erste Gruppe in Deutschland zusammen. Es folgten zahlreiche Initiativen, mittlerweile liege die Gesamtmitgliederzahl bei über 30000.

Es sind Menschen, wie Claudia Lübbert und Nicole Kuhns. Einige von ihnen haben Enkelkinder, andere sind alleinstehend und kinderlos. Was sie vereint, ist der Wille, auf die Straße zu gehen und einen Unterschied zu machen. „Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt Nicole Kuhns. Es sei nicht damit getan, sich einfach aufs Sofa zu setzen und aufs Beste zu hoffen. Vielmehr müsse man selbst aktiv werden. Lübbert spricht von Wahlen, Petitionen und der Teilnahme an Demonstrationen oder Mahnwachen.

Eine erste Gelegenheit dazu gibt es am heutigen Freitag. Von 15 bis 17 Uhr werden die Omas eine Mahnwache auf dem Max-Josefs-Platz in Rosenheim veranstalten. „Es geht uns darum, sichtbarer zu werden“, sagt Nicole Kuhns. Deshalb hätten sie und ihre Mitstreiterinnen auch immer einen Schirm dabei, auf denen in großen Wörtern der Slogan „Omas gegen Rechts“ prangt. Zu übersehen sind die Omas damit nicht.

In den sozialen
Medien aktiv

„Ich sehe es als unsere Verpflichtung, unsere Erfahrungen weiterzugeben und zu warnen“, ergänzt Claudia Lübbert. An ihrer Bluse hat sie einen Anstecker befestigt, mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts“. Einen Großteil ihrer Freizeit steckt sie in die Gruppe. Ins Organisieren, Planen und Weiterbilden. Zweimal im Monat finden Treffen statt. An den Sonntagnachmittagen sind die Orga-Treffen, freitags kommt der Stammtisch zusammen. Kommuniziert wird über E-Mail, auch in den sozialen Medien sind die Omas aktiv.

„Wir eignen uns nach und nach alles an“, sagt die 62-Jährige und lacht.

Politik-Experte Florian Wenzel zur Initiative „Omas gegen Rechts“

Artikel 3 von 11