Nachteile, die bei dem aktuellen Trend des ökologisch bewussten Bauens gerne außer Acht gelassen werden. Denn die Vorteile einer fest installierten Lüftungsanlage bei der Energieeinsparung liegen auf der Hand. Moderne Gebäude sind oft hoch abgedichtet. So werden Wärmeverluste minimiert und damit die Umweltfreundlichkeit verbessert.
Technik verteuert
Wohnraum
Professor Stephan Kippes vom Immobilienverein Deutschland (IVD) steht dieser Entwicklung mit gemischten Gefühlen gegenüber. „Grundsätzlich sind fest installierte Lüftungsanlagen eine gute Option – mit Betonung auf Option.“ Kritisch betrachtet Kippes den Trend besonders in Bezug auf wirtschaftliche und soziale Aspekte. Denn diese Form des mit großem technischen Aufwand verbundenen Lüftens könnte Wohnraum auf Dauer immer teurer werden lassen. „Problematisch wäre es, wenn aufgrund von Vorgaben Wohnungen grundsätzlich mit derartigen Lüftungssystem ausgestattet sein müssten oder die energetischen Standards so sind, dass der Bauträger quasi eine solche Lüftungsanlage installieren muss“, erklärt Kippes. Denn dies führe früher oder später zu einer Verschärfung der aktuell etwa in Städten wie München oder Hamburg bereits bestehenden Wohnungsknappheit, wie der Marktforscher betont: „Wir haben hier das grundsätzliche Problem, dass einerseits von Politik und Öffentlichkeit bezahlbarer Wohnraum gefordert wird, andererseits die energetischen Standards laufend hochgestuft werden, sodass eigentlich gut gemeinte umweltpolitische Vorgaben zu einem Kostentreiber werden.“
Anlagen messen Kohlendioxid-Werte
Doch auch der gesundheitliche Aspekt bei fest installierten Lüftungsanlagen hat zwei Seiten. Dabei kann die kontrollierte Wohnraumlüftung angesichts wieder steigender Corona-Infektionszahlen durchaus einen positiven Schutzeffekt haben. Neben der Tröpfcheninfektion gilt vor allem die Ansteckung über Aerosole als möglicher Übertragungsweg des Virus.
Diese Ansammlungen von Partikeln, die über einen längeren Zeitraum in der Luft schweben, können laut Robert-Koch-Institut (RKI) der Deutschen Bundesregierung eine wichtige Rolle bei der Infektion spielen. Zur Messung der Luftqualität im Raum dient die Kohlendioxid-Konzentration als Leitgröße. Denn bei einem hohen Wert gehen Wissenschaftler aktuell auch von einer hohen Aerosol-Konzentration aus. Moderne Lüftungsanlagen mit intelligenter Steuerungstechnik messen diese Kohlendioxid-Werte und erhöhen bei Bedarf den zugeführten Luftstrom.
Doch längst nicht alle Lüftungsanlagen entsprechen diesen modernen Standards. Und bei älteren oder unzureichend ausgestatteten Modellen kann sich der positive gesundheitliche Effekt schnell ins Gegenteil verkehren. Laut dem AOK Bundesverband sorgen die Systeme durchaus für saubere Luft – sofern diese nicht auf Umluft zurückgreifen. Umluft heißt, dass ein Teil der abgeführten, verbrauchten Luft wieder der zugeführten, frischen Luft beigemengt wird.
Viren werden in
allen Räumen verteilt
Ein Prozess, der dann auch gesundheitliche Risiken berge, gerade aktuell in Zeiten von Covid-19. „Arbeitet eine Lüftungsanlage mit einem hohen Umluftanteil, kann die Infektionsgefahr unter Umständen sogar steigen, weil die Viren in den Räumen regelrecht verteilt werden“, warnt der AOK Bundesverband. Wenn sich ein Betrieb mit Umluft technisch nicht vermeiden lasse, sollte der Eigentümer der Immobilie bei der Installation darauf achten, die Anlage mit speziellen Schwebstofffiltern, sogenannten HEPA-Filtern der Klassen H13 und H14 auszustatten, um insbesondere SARS-CoV-2-Viren herauszufiltern oder zu inaktivieren. Fehlten diese Filter, sollte man laut AOK wieder auf den traditionellen Weg des Luftaustausches zurückgreifen, um das Infektionsrisiko zu senken: „Dann hilft nur: Fenster auf!“ Christoph Kastenbauer