„Stirbt der Bauer, stirbt das Land“ oder „Ohne Bauern wären wir nackt und hungrig“: Wer übers Land fährt, kommt im Moment in regelmäßigen Abständen an solchen Schildern vorbei. Nachts lodern Mahnfeuer, tagsüber sind immer mal wieder Traktorkolonnen unterwegs zu Sternfahrten und Protestaktionen. „Der Unmut unter den Leuten ist groß“, bestätigt BBV-Kreisobmann Sepp Andres.
Er kann die Menschen verstehen: „Es fehlt am Dialog, es fehlt am Respekt und es fehlt am Zuhören“, stellt der 52-jährige Landwirt aus Ebrach fest. „Zwar gibt die Politik vor, dass ihr der Erhalt und die Förderung der kleinbäuerlichen Strukturen am Herzen liegt, gerade hinsichtlich der umweltschützerischen Ziele“, so Andres. Das, was allerdings an Gesetzen und Maßgaben beschlossen werde, spreche eine deutlich andere Sprache, bewirke genau das Gegenteil und mache sehr oft „überhaupt keinen Sinn.“
Statt Trittschwellen werden Stolpersteine gelegt. Die bestens ausgebildeten Landwirte, so der BBV-Kreisobmann, werden in ein so enges Korsett geschnürt, dass ihnen kaum Luft zum Atmen bleibt. Noch deutlicher gesagt: „Im Prinzip ist es wurscht, was er gelernt hat. Er kann es ja sowieso nichts umsetzen, denn die Politik schreibt ihm alles bis ins Kleinste vor. Und sehr oft laufen die politischen Maßgaben dem gesunden Menschenverstand und dem profunden Erfahrungs- und Wissensschatz der Landwirte zuwider.“
Verlass sei auf politische Aussagen und Regelungen schon lange nicht mehr – jüngster Beweis ist nun das Tierschutzgesetz. Der erste offizielle Entwurf wirft alle bisherigen Abmachungen der Borchert-Kommission, in der Landwirte, Naturschützer, Politiker und Verbraucher zusammengearbeitet haben, über den Haufen. 120 Tage im Jahr sollten die Tiere Auslauf haben – im Sommer mit Weidehaltung und Almauftrieb auch für diejenigen Betriebe kein Problem, die keinen Laufstall haben. Jetzt sollen die Tiere auch im Winter raus: ein Ding der Unmöglichkeit gerade für die Betriebe, die innerhalb der Ortschaft keinen Raum für den Auslauf schaffen können. „Viele müssten in Ortsrandlage bauen oder aussiedeln. Das sind Minimum 20000 Euro reine Baukosten pro Kuhplatz, ganz abgesehen von den baurechtlichen Problemen, mit denen sich viele konfrontiert sehen.“
Die Folge: „Gerade die kleinen Betriebe bis 50 Tiere, die wir erhalten wollen, werden aufgeben“, befürchtet Andres. Der Tod der kleinbäuerlichen Struktur setzt eine schlimme Spirale in Gang: „Geben diese Betriebe auf, ist das das Ende der Almen und der Kreislaufwirtschaft“, davon ist der BBV-Kreisobmann überzeugt. Die Flächen veröden und verbuschen.
„Man will die Tierhaltung fördern – aber mit solchen Vorgaben und Gesetzen geschieht das genaue Gegenteil“, führt Andres aus. Eine wirklich schlechte Idee ist für ihn auch der von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgeschlagene „Tierwohlcent“: Das ist für den BBV-Kreisobmann nichts weiter als eine Schleichsteuer, die mal wieder der Verbraucher bezahlt, die obendrein aber nicht mal zweckgebunden ist – da stellt sich die Frage, was von dem Geld überhaupt bei den Bauern ankommen würde.
Tierwohlcent hilft den Bauern nicht weiter
Außerdem spalte der Tierwohlcent die Bauern, weil ja nur die tierhaltenden Betriebe davon profitieren können – und das auch nur an dem, was vom Handel und der Industrie für die Bauern übrig geblieben wäre.
Völlig verfehlt findet es Andres auch, dass der Tierwohlcent den Bauern als Ausgleich für die Streichung des Agrardiesels angeboten werde: „Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun – und der Agrardiesel betrifft ja die Ackerbauern viel mehr als die Viehhalter.“
Politische Hauruckaktionen oder Husarenstücke nützen den Tieren und ihren Haltern nichts. „Das Einzige, was durch solche Maßnahmen passiert, ist, dass man viele Bürostellen schafft, die es überhaupt nicht braucht.“
Man sollte die Dinge am besten da lassen, wo sie hingehören, findet der BBV-Kreisobmann. Damit meint er nicht nur saubere politische Lösungen an den Stellen, an denen sie benötigt werden. Dabei denkt er vor allem an den Umgang mit der Natur, dem Wetter, mit den Tieren, mit Grund und Boden.
Viele der Vorgaben sind nicht nur sinnlos, sie sind im Prinzip kontraproduktiv: „Im Februar hätte es ein paar ideale Tage zum Güllefahren gegeben. Die Vegetation hat gesagt: Ja, bring‘s mir. Aber das Datum sagt nein.“ Sepp Andres kann da nur den Kopf schütteln. „Unsere Landwirte machen eine Lehre, gehen auf die Fachschule, legen eine Meisterprüfung ab, HLS – und trotzdem glauben die Beamten, sie sind klüger als die Experten vor Ort.“ Ihm fehlt es da am Vertrauen in die Landwirte, am Respekt, an der Fach- und Sachlichkeit. Die Verantwortung sollte bei denen gelassen werden, die über das nötige Wissen und die teilweise über Generationen erlangte Erfahrung verfügen, denen der Grund und Boden gehört und die davon leben. „Die Verrohung in unserer Gesellschaft hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen – Internet, Corona und Anonymisierung haben da großen Anteil daran.“
Mit Schuld an der Masse von Unstimmigkeit habe ohne Zweifel auch eine Politik, die eine „gewisse Ideologie auf Biegen und Brechen durchsetzen und verkaufen will“, glaubt Andres. Er fordert deshalb ein klares Bekenntnis zu den Bauern und zum Mittelstand. Vertrauen in ihre Arbeit. „Wir haben nichts gegen Kontrollen. Aber von vornherein wie ein Verbrecher behandelt zu werden, der nur Böses im Sinn hat, das geht überhaupt nicht.“
Es brauche eine verlässliche Politik, die die Arbeit der Landwirte und des Mittelstands unterstützt und schützt. „Wir müssen nicht immer besser sein wie alle anderen.“ Wer die bäuerliche Landwirtschaft erhalten wolle, müsse sie fördern und die nötigen Voraussetzungen dafür schaffen.
„Wenn die Politik so weitermacht, haben wir hier das ukrainische Getreide und das südamerikanische Rindfleisch. Und die Preise für unsere guten Produkte fallen noch viel tiefer in den Keller.“