Kreta, Neapel, Istanbul, Marokko, Bangkok: Erdbeben in beliebten Reisezielen können Urlauber beunruhigen. Das gilt vor allem, wenn man vor Ort mitbekommt, wie die Erde zittert. Aber auch, wenn man bald dorthin reisen will, liest man solche Nachrichten mit Sorge. Reiserechtlich ist die Sache dabei nicht so einfach: Absagen nur aus Angst können teuer werden. Der auf Reiserecht spezialisierte Rechtsanwalt Kay Rodegra erläutert, was in solchen Fällen für Pauschalreisende gilt -– und warum die Lage für Individualreisende komplizierter ist.
• Muss man vom Veranstalter über Erdbebenrisiken informiert werden?
Nein, Reiseveranstalter müssen nicht darüber informieren, ob das Urlaubsziel in einem Erdbebengebiet liegt, so Rodegra. Erdbeben könnten fast überall auf der Welt passieren und gehören zum „allgemeinen Lebensrisiko“.
• Man liest von Beben vor Kreta oder Neapel – kann man kostenfrei von einer geplanten Reise zurücktreten?
Nein, denn Ängste und Sorgen vor einem Erdbeben allein sind keine Gründe für einen kostenfreien Reiserücktritt von einer Pauschalreise. Fällige Stornierungsgebühren müssten Urlauber dann tragen. Das gilt beispielsweise auch für Istanbul, wo Ende April die Erde heftig bebte und einige Geologen darin Vorboten eines noch heftigeren Bebens sahen. „In einigen Regionen der Erde werden Superbeben erwartet, die morgen oder in 1000 Jahren kommen können“, sagt Rodegra. Ängste davor seien keine Gründe, um kostenfrei von einer gebuchten Reise zurücktreten zu können. Reisende müssen sich vor der Buchung damit auseinandersetzen.
• Was ist, wenn man am Tag nach einem Beben reisen soll?
Mit Blick auf Istanbul, wo die Erde mehrfach in kurzer Zeit gebebt hatte, war die Situation zunächst unklar. Bei unmittelbar anstehenden Reisen könnte in solchen Fällen ein kostenfreier Rücktritt möglich sein, so Rodegra. „Wenn am nächsten Tag eine Reise in ein Gebiet ansteht, wo es Panik wegen eines Erdbebens gab und die Lage nicht geklärt ist, da sehe ich schon die Option dazu“, sagt er.
Aber sobald feststeht, dass es keine größeren Schäden gibt und die Reise nicht beeinträchtigt sein wird, geht das nicht mehr. Darum gelten zwei Ratschläge in solchen Fällen:
1. Kontakt mit dem Reiseveranstalter aufnehmen. Der beobachtet die Situation ebenfalls genau und sagt geplante Reisen bei hohen Risiken oder zu erwartenden Beeinträchtigungen in der Regel von selbst ab.
2. Nicht vorschnell stornieren, wenn die Reise erst in einigen Tagen oder Wochen ansteht. Stellt sich dann heraus, dass die Region problemlos zu bereisen ist, bleibt man womöglich auf den Kosten sitzen.
Als Beispiel führt der Experte das schwere Beben Ende März in Myanmar und Thailand an. Auch ein im Bau befindliches Hochhaus in Bangkok stürzte dadurch ein, viele Menschen kamen ums Leben. Dennoch: Die Infrastruktur in der thailändischen Hauptstadt blieb intakt, und die beliebten Urlaubsregionen am Meer waren auch nicht betroffen. „Da war keine Beeinträchtigung oder Gefährdungslage für eine Thailand-Reise gegeben“, so Rodegra. Wer seine in ein paar Wochen anstehende Reise nach Bangkok unmittelbar nach dem Beben storniert hätte, wäre auf den Stornokosten sitzengeblieben.
• Was ist, wenn es im Urlaubsgebiet nach der Buchung der Reise zu massiven Zerstörungen kommt?
Eingestürzte Häuser, kaputte Straßen, beschädigte Flughäfen: Sind massive Schäden am Urlaubsort zu beklagen, liegt laut Rodegra ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vor. In solchen Fällen sei ein kostenfreier Rücktritt von einer Pauschalreise möglich.
Falls der Reiseveranstalter das nicht akzeptiert, können Betroffene etwa mit Medienberichten über die Ausmaße der Zerstörungen oder mit Einschätzungen des Auswärtigen Amtes argumentieren – eine Reisewarnung des Ministeriums für eine Region ist beispielsweise ein starkes Indiz für unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände.
Aber selbst hier gilt: nicht zu früh stornieren. Steht die Reise in ein betroffenes Gebiet in einem halben Jahr an, sollte man warten. Rodegra führt aus: „Es muss zum Zeitpunkt des Rücktritts feststehen oder sehr wahrscheinlich sein, dass es am Zielort der Reise zu erheblichen Beeinträchtigungen oder einer Gefährdungslage kommt, die die Durchführung der Reise unzumutbar macht.“ Deshalb müssen Urlauber in vielen Fällen zunächst einmal die weitere Entwicklung im Reiseland abwarten.
• Und wenn man mehrere Ziele in einem Land bereist?
Bei Rundreisen hängt die Frage des kostenfreien Rücktritts davon ab, ob diese maßgeblich störungsfrei durchführbar sind. Ist nur einer von vielen Orten auf der Reise vom Erdbeben betroffen und deshalb nicht zu bereisen, ist das kein ausreichender Grund für einen kostenfreien Rücktritt vom Reisevertrag. Allerdings könne ein ausgefallener Programmpunkt eine Preisminderung begründen, so Rodegra.
• Was ist, wenn man individuell gebucht hat?
Menschen, die Flug und Hotel individuell gebucht haben, müssen sich mit jedem einzelnen Vertragspartner auseinandersetzen, etwa Airline, Hotel oder Ferienhausvermieter. Rodegra nennt ein Beispiel: Die gebuchte Unterkunft ist durch das Erdbeben beschädigt und nicht bewohnbar. Aber der Flug zum entfernteren Flughafen im Land findet statt. „Den müssen Sie dann bezahlen, auch wenn Sie ihn vielleicht nicht mehr in Anspruch nehmen, da Sie ja keine Unterkunft mehr haben.“
• Die Erde bebt, und man ist vor Ort – welche Rechte hat man dann?
Reiseveranstalter sind in solchen Fällen in der Pflicht, ihre Reisenden zu informieren. „Wenn es nach einer Naturkatastrophe für Urlauber nicht mehr zumutbar ist, in dem Gebiet weiter zu verweilen, muss der Veranstalter einen früheren Rückflug besorgen und die gesamten Mehrkosten dafür tragen“, sagt Rodegra.
Haben Urlauber selbst gebucht, sind sie auch selbst verantwortlich. Ansprechpartner für Individualreisende in Notsituationen können aber immer die deutschen Botschaften und Konsulate sein. dpa/tmn