Zu den Gauchos:

Mit Gauchos durch die norddeutsche Pampa

von Redaktion

Ihre Kultur steht für Freiheit und Naturverbundenheit. In Mecklenburg-Vorpommern kann man mit Argentiniern und ihren Pferden auf Tour gehen.

Das Pferd und sein Reiter: Der Argentinier Amancio Mendiondo hat ein tolles Verhältnis zu seinen Tieren.

Der Boden ist weich, aber uneben – den Pferden macht das nichts aus. Wir galoppieren über unbegrenztes Grünland. Auf unseren Sätteln liegt weiches Schaffell. Geschickt wie Bergziegen gleichen die Pferde jede Unebenheit aus. Wir sind mit Amancio Mendiondo und seinen ­Criollos unterwegs – mitten in der mecklenburgischen Pampa. Hier hat sich der Argentinier einen Traum erfüllt: „Für mich ist es ein bisschen wie zu Hause“, erklärt der Mittvierziger. „Hier hat man ein bisschen ein Gefühl von Patagonien.“

Ein Traum
wird wahr

Groß Ridsenow, eine halbe Autostunde von Rostock entfernt: Das 150-Seelen-Dorf im dünn besiedelten deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern besteht aus ein paar Bauernhöfen, Siedlungshäusern und einem baufälligen Gutshaus. Was das verschlafene Örtchen so besonders macht? Ganz am Ende der Dorfstraße liegt die „Cavalan Ranch“. Hier im „Wilden Osten“ hat Mendiondo eine neue Heimat gefunden. Der Argentinier mit dunklem Bart und Wuschelhaaren stammt aus der Nähe von Buenos Aires. In Norddeutschland hat er einen Bauernhof mit Stall, Scheune und ein paar Hektar Weideland gekauft: la Pampa mit fruchtbaren Böden zwischen Ostsee und eiszeitlich geformtem, hügeligem Recknitztal.

Mendiondo erzählt von seiner Kindheit in Argentinien, von den Grassteppen und der Rinderzucht, die ohne die Gauchos, die berittenen Landarbeiter, undenkbar war. Bis heute sind sie Teil der argentinischen Identität und seiner Familienbiografie. „Heutzutage ist die Gaucho-Kultur verbunden mit dem Leben auf dem Land und der Arbeit, die mit den Rindern zu tun hat“, erklärt Mendiondo. Was ihn stark geprägt habe, sei die Verbindung zu den Pferden und zur Musik.

2012 ist er von Argentinien nach Deutschland gekommen. Der Liebe wegen, wie er sagt. Zunächst ging es nach Hamburg. Jahrelang suchte er vergeblich einen Ort – gleich der argentinischen Pampa. Im Nordosten Deutschlands hat er gefunden, was er suchte. Der Groß Ridsenower aus Buenos Aires empfängt uns mit einer roten Mütze. Das Erbe baskischer Einwanderer gehört ebenso zur Gaucho-Kultur wie seine Bombacha, eine weite Reithose. Mendiondo ist kein Gaucho, aber er hat von den Wanderhirten das Reiten gelernt, die Arbeit mit Rindern und das Musizieren mit Freunden und Fremden – meist an einem großen Lagerfeuer mit viel gutem Essen und immer an der frischen Luft. Genau das lebt er jetzt hier, in der mecklenburgischen Pampa, trotz aller Unterschiede. Die Sprache sei anders, und die Straßen seien hier asphaltiert. „Wenn man auf dem Land in Argentinien ist, hat man automatisch viele Kilometer Sandweg.“ Doch in einem gleichen sich die argentinische und die mecklenburgische Wildnis: in der Weite und den Entfernungen zur nächsten Stadt. Eine scheinbar grenzenlose Natur, die vielen Wildtieren einen Lebensraum gibt.

Das Leben mit und in der Natur genießen, unter freiem Himmel schlafen, das ist für Mendiondo Gaucho-Tradition und echte Lebensqualität. Dazu gehören die Ausritte auf argentinischen Pferden mit bequemen Sätteln und mit Picknick und Siesta. Eine Ferienwohnung hat er bereits fertig renoviert, und zwei Glampingzelte stehen hinter dem Haus bereit. Und nebenbei zeigt er den Besuchern, wie man in Argentinien Pferde hält, sattelt, und wie man es schafft, den ganzen Tag zu reiten.

Was für ihn das Reiten in der Natur bedeutet? „Ich bin damit aufgewachsen. Ich war auf dem Pferd, bevor ich laufen konnte. Das verbinde ich mit dem Leben auf dem Land, mit dem freien Leben draußen. Ja, mit meiner Kindheit, mit meiner Familie.“ Und auch mit den Gauchos, ergänzt er später – mit dieser ganz besonderen Art, draußen zu leben. „Auf dem Pferd in die große Weite zu reiten, das ist schon ein sehr krasses Gefühl von Freiheit.“ Mendiondo zeigt uns seinen Hof. Er liegt auf einer Anhöhe. Es gibt keine direkten Nachbarn. Der Blick schweift automatisch in die Ferne. In der riesigen Scheune steht ein langer Tisch, der am Wochenende festlich gedeckt wird. Mit Lichterketten ist eine Art Tanzfläche geschmückt. Hier hat er für seine Gäste vor ein paar Tagen eine Penja veranstaltet -– ein Fest mit argentinischer Musik und Tanz. Tagsüber sind alle gemeinsam ausgeritten. Ein großer Unterschied: In Argentinien sitzt jede und jeder im Sattel, auch wenn man keine oder kaum Reiterfahrungen hat. In Deutschland sei das ein Ding der Unmöglichkeit: „Genau das ist typisch, wenn man auf einer Estancia lebt: Jemand kommt und hat keine Reiterfahrung. Der reitet natürlich mit, fertig. Auf das Pferd und los! Hier macht das niemand.“ Anekdoten aus dem Arbeitsalltag argentinischer Gauchos, Open-Air-Grillen und tägliche Ausritte – auf der ­Cavalan Ranch kann man eintauchen in diese Welt ohne Folklore-Kitsch.

Regelmäßig veranstaltet er einen Asado, einen argentinischem Grillabend nach Gaucho-Manier. Was seine Gäste verbindet, ist die Liebe zu argentinischer Lebensart, mit Musik, Pferden und dem Gefühl von Freiheit. Hier mitten im mecklenburgischen Land – 12000 Kilometer von den Weiten der Pampa entfernt. Fast wie in Patagonien. Michael Marek und Anja Steinbuch

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