Stefan Aust warnt in Wasserburg: „Irgendwann schlägt die Realität zu“

von Redaktion

Festrede beim zehnten Meggle-Gründerpreis – Ehrengast und „Welt“-Herausgeber kritisiert Bundesregierung scharf

Wasserburg – Ehemaliger Spiegel-Chefredakteur, Herausgeber der Tageszeitung Die Welt und Chefredakteur der WeltN24-Gruppe, Bestseller-Autor, Freund von Marina und Toni Meggle: Stefan Aust (78) war mit dem Auto aus Hamburg angereist, um beim zehnten Meggle-Gründerpreis eine Rede im Wasserburger Rathaussaal zu halten. Moderator Alexander Mazza beschrieb den Festredner als „Zeitzeugen“ und „Beobachter“. In seinen Büchern befasste sich Aust unter anderem mit dem Baader-Meinhof-Komplex, dem Terrorangriff am 11. September 2001 in den USA und zuletzt mit Chinas Machthaber Xi Jinping. Aust war von 1994 bis 2008 Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Seit 2014 ist Aust Herausgeber der Tageszeitung Die Welt und seit 2016 Chefredakteur der Welt N24-Gruppe.

Marina und Toni Meggle kennt der 78-Jährige über eine gemeinsame Leidenschaft. „Wir sind über die Pferde verbunden“, erklärte Marina Meggle. Aust betreibt in der Nähe von Bremervörde (Niedersachsen) ein Hannoveraner-Gestüt. Marina und Toni Meggle besitzen den Georgihof in Rechtmehring.

Die Verbundenheit zu den Pferden kommt bei Aust nicht von irgendwoher. „Ich bin auf einem Bauernhof mit sechs Kühen aufgewachsen und habe noch gelernt, wie man mit zwei Händen melkt“, stellte sich Aust zu Beginn seiner Rede beim Meggle-Gründerpreis vor. Später habe die Familie von Rindern auf Pferde gewechselt, so der 78-Jährige.

Als erklärter Pragmatiker hatte Aust einige Empfehlungen und viel Kritik für die deutsche Politik zum Gründerpreis mitgebracht. Sein Auftritt war so, wie es viele von ihm erwartet hatten: provokativ-düster-belehrend. Die Regierung würde sich in einem „Luftreich des Traumes“ befinden und „weit weg von der Wirklichkeit stehen.“ Ganz nach einem Buchtitel von Heinrich Heine: „Deutschland. Ein Wintermärchen“, sagte er.

Aust kritisierte den Ausstieg aus der Atomenergie und dass sich Deutschland im Laufe eines steigenden Wohlstandes von billigem Gas aus Russland und günstigem Importen aus China abhängig gemacht habe.

Er zweifelte den menschengemachten Klimawandel an, der wie eine neue Religion gehandelt werde. Wer ihn infrage ziehe, werde quasi der Gotteslästerung bezichtigt. Geradezu suizidal würden die derzeitigen CO2-Vermeidungsstrategien ausfallen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährden würden. Dass die deutsche Autoindustrie ins Taumeln gerate, sei geradezu ein Schildbürgerstreich. „Politische Naivität“ sei das Grundproblem, außerdem eine Politik, die von Ideologien statt von Realitätsbezogenheit geprägt sei. Würde der eigens produzierte Strom beispielsweise nicht ausreichen, würde Deutschland einfach welchen aus französischer Atomkraft zukaufen, nannte Aust als Beispiel. Mit dem Ausbau von Solarzellen, Windturbinen und E-Autos würde sich Deutschland einmal mehr von China abhängig machen, sagte der 78-Jährige, denn beispielsweise die dafür benötigten seltenen Erden müssten importiert werden. Auch die Flüchtlingspolitik der Merkel- und der Ampel-Regierung, die Grenzpolitik der EU und der Versuch, den Fachkräftemangel mittels gezielter Migration zu bekämpfen, kritisierte Aust in seiner Rede, die er meist stakkatoartig und in monotoner Stimmlage vortrug und mit Witzeleien zwischendrin auflockerte. „Alles laufen zu lassen, ist kein Zeichen für politische Kompetenz“, betonte er. Die westliche Demokratie gerate in Gefahr, weil sie ihre eigenen Verheißungen nicht mehr erfüllen könne. „Irgendwann schlägt die Realität zurück“, warnte Aust. Am Ende applaudierten die meisten Zuschauer.

Als „schonungslos ehrlich“ fasste Moderator Mazza seinen Eindruck über Austs Worte zusammen. „Ich bin froh über die farbenprächtigen Blumen, die hier auf der Bühne stehen“, sagte er angesichts der düsteren Prognosen des Festredners und gab das Mikrofon an die Eddy-Miller-Band weiter, die eine abgewandelte Version des Liedes „Kiss“ von Prince spielte.

Anna Weinfurtner und Heike Duczek

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