„Apokalyptische“ Szenen in Norditalien

von Redaktion

Zerstörte Wälder, geflutete Häuser, viele Tote: Die Folgen könnten Jahre lang spürbar sein

Rom – Schwere Unwetter in Italien haben am Wochenende weitere Todesopfer gefordert. Allein auf Sizilien kamen bei Überschwemmungen innerhalb weniger Stunden mehr als zehn Menschen ums Leben. Seit einer Woche haben die Unwetter das Land fest im Griff, rund 30 Menschen starben bis Sonntag.

Dramatische Szenen spielten sich in Casteldaccia nahe Palermo ab, wo zwei Familien fast komplett ausgelöscht wurden, als das Hochwasser eines Flusses ein Landhaus flutete. „Ich weiß selbst nicht, wie ich mich gerettet habe“, sagte ein Überlebender der Tragödie von Casteldaccia. „Ich habe gemerkt, dass das Wasser ins Haus eindrang. Ich habe allen gesagt: Lasst uns schnell gehen“, sagt er. Als er die Tür öffnete, habe ihn ein Schwall Wasser überrollt und nach draußen katapultiert. Dort konnte er sich an einem Baum festhalten – und wurde gerettet. Ein anderer Mann und ein Mädchen kamen mit dem Leben davon, weil sie zum Zeitpunkt des Unglücks Süßigkeiten kauften. Doch neun Menschen – Angehörige der Überlebenden – starben, auch kleine Kinder, gerade mal ein und drei Jahre alt.

Ein Blitz tötete am Freitag eine deutsche Touristin, die mit ihrem Sohn und ihrem Mann auf einer Insel bei Sardinien unterwegs war. In der vergangenen Woche wurden Menschen von Bäumen erschlagen, von Wellen mitgerissen oder von Erdrutschen begraben. Die Bilder der Verwüstung werden sich noch lange einprägen.

„Es ist ein Ausnahmezustand, wie ich ihn noch nie gesehen habe“, sagte Zivilschutz-Chef Angelo Borrelli. Er hatte zuvor von „apokalyptischen“ Szenen in der nördlichen Provinz Belluno gesprochen. Wegen des starken Regens begruben Massen aus Gestein und Schlamm Häuser und Straßen. Die Wucht des Sturms ließ Strommasten wie Grashalme umknicken und Bäume umfallen. Um den Bestand zu erneuern, brauche es Jahrzehnte, sagte Borrelli. Dadurch wachse die Gefahr von Erdrutschen. „Die Wälder, die (diese) in der Vergangenheit gestoppt haben, gibt es nicht mehr.“

Der Landwirtschaftsverband Coldiretti schätzt die Zahl der umgestürzten Bäume auf 14 Millionen. Die Feuerwehr verbreitete ein Video von einer Talsperre, dessen Wasseroberfläche komplett von unzähligen Baumstämmen bedeckt war. Medien zitieren einen Bergretter mit den Worten: „Unsere Berge so zu sehen, ist wie in eine blutende Wunde zu blicken.“

Hunderte Häuser sind beschädigt, das Energienetz ist vielerorts zusammengebrochen, und der bevorstehende Winter macht schnelle Aufräumarbeiten zu einem Ding der Unmöglichkeit. Ganz zu schweigen vom Wiederaufbau. Was das für die anstehende Wintersportsaison bedeutet, ist noch nicht auszumachen. „Die Skipisten in den Dolomiten erinnern an bombardierte Schlachtfelder“, schrieb die Zeitung „La Repubblica“.

Extrembergsteiger Reinhold Messner appellierte an Innenminister Matteo Salvini und den Rest der Regierung, im Kampf gegen den Klimawandel Initiative zu ergreifen, statt weiter „unmöglich zu realisierende Versprechen“ zu verfolgen. In einem Zeitungskommentar zeigte er sich erschrocken über das extreme Wetter. Die Natur sei von der Geschwindigkeit des Klimawandels überrascht, und „der Wandel, den wir erleben, macht Angst“.

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