Tausende Menschen drängeln sich am Freitag durch die Galeria-Filiale am Marienplatz. Überall glitzert die Adventsdeko, für den Extra-Schwung an Weihnachtsstimmung sorgt sogar ein Saxofon-Spieler. Das Geschäft zum Fest brummt beim Galeria-Flaggschiff in München. Und schafft so eine skurrile Kulisse: Shopping-Freuden auf der einen und Existenznöte auf der anderen Seite. Denn: Seit dem Insolvenzantrag der Signa Holding am Dienstag gibt es für keinen der rund 800 Galeria-Mitarbeiter in München mehr Sicherheit. Verkauft Signa, der Mutter-Konzern, seine Warenhaus-Sparte? Oder gehen in den vier verbliebenen Häusern in München gleich nach Weihnachten die Lichter aus? Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt.
„Für uns ist die Lage ganz schwer“, sagt eine Mitarbeiterin am Marienplatz. „Vor allem für die Kolleginnen, die alleinerziehend sind und sich ohnehin schwertun. Wir wissen einfach nicht, wie es weitergeht.“ Der Frau möchte anonym bleiben. Denn: Es gibt einen Maulkorb für die Mitarbeiter. Bloß nicht mit der Presse sprechen! „Wir dürfen nichts sagen“, betont auch eine langjährige Mitarbeiterin der Filiale an der Münchner Freiheit. „Sonst kommen wir in Teufels Küche.“
Mit der Signa Holding ist der Mutter-Konzern des Benko-Imperiums in Schieflage geraten. Galeria Karstadt Kaufhof gehört zur Signa Retail Selection AG. Die Schweizer Handelstocher hat gerichtlich Gläubigerschutz beantragt. Sie will sich entkoppeln und so verhindern, in das Insolvenzverfahren hineingezogen zu werden. Die Anteile an Tochterunternehmen wie Galeria sollen verkauft werden. Nur: Wer will im Jahr 2023 einen Warenhauskonzern kaufen, der sich in den vergangenen Jahren von Krise zu Krise geschleppt hat? 2020 und 2022 gab es Insolvenzverfahren.
Die einst 172 Filialen in ganz Deutschland wurden massiv abgebaut. In München fielen diesen Sparzwängen die Filialen am Hauptbahnhof, an der Schützenstraße, am Stachus und am Nordbad zum Opfer. Entsprechend schlecht ist nach diesen Erfahrungen die Stimmung unter den Mitarbeitern. „Ich verstehe die Kollegen, die jetzt keine Motivation mehr haben“, sagt eine Mitarbeiterin in Schwabing. Es sei schwer, positiv nach vorn zu schauen. Das Thema zur Seite zu schieben und sich voll aufs Weihnachtsgeschäft konzentrieren – das geht auch nicht. „Die Kunden sprechen uns den ganzen Tag darauf an“, sagt eine Mitarbeiterin der Filiale am Rotkreuzplatz. Sie ist seit Jahrzehnten im Konzern und war schon von den Schließungen am Bahnhof betroffen.
Im Sommer gingen dort die Lichter aus, 220 Angestellte mussten schauen, wo sie bleiben. Wenige konnten intern wechseln, viele mussten sich neue Arbeitgeber suchen. Unterstützung gab es dabei vom Rathaus, das über Karriere-Chancen in den eigenen Referaten informierte. Am Ende fanden so zehn Galeria-Beschäftigte eine neue Stelle.
Trotz des kleinen Erfolgs hofft man nun in der Politik und der Wirtschaft, dass so eine Aktion nicht noch einmal nötig ist. Ziel sei vielmehr, dass alle Münchner Galeria-Standorte bleiben. „Wir hoffen natürlich, dass für die Häuser möglichst schnell eine Lösung gefunden wird“, sagt Wolfgang Fischer vom Verein CityPartner.
Das hofft auch Clemens Baumgärtner (CSU). „Unser Ziel muss sein, eine funktionierende Innenstadt zu behalten. Wir wollen keine Baulücken und keine Leerstände“, sagt der Wirtschaftsreferent der Stadt. Ihm fällt sofort die Signa-Baustelle an der Alten Akademie ein, wo momentan Baustopp herrscht. „Das Projekt ist weitestgehend genehmigt – jetzt muss sich nur noch ein verlässlicher Umsetzer finden, der das Projekt voranbringt.“
Die Muttergesellschaft Signa versucht derweil zu retten, was möglich ist, und hat den erfahrenen Sanierungsexperten Erhard Grossnigg als Manager der wichtigsten Teilgesellschaften an Bord geholt. Der Österreicher wurde am Freitag als zusätzliches Mitglied in die Vorstände der Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG berufen. Das teilte die Signa-Gruppe in Wien mit. Grossnigg werde „die nächsten Sanierungs- und Restrukturierungsschritte für die beiden Immobilien-AGs umsetzen“, hieß es.