CO2: Fliegen ohne Gewissensbisse

von Redaktion

Fliegen belastet die Umwelt und trägt zum Klimawandel bei. Die Kompensation der mit einer Flugreise verbundenen Schäden kann das Öko-Gewissen entlasten.

VON MATTHIAS FRANZ

Als Reinhard May 1974 seine Ode an die Luftfahrt „Über den Wolken“ schrieb, war die Freiheit wohl tatsächlich noch grenzenlos. Das nächste Abenteuer war meistens nur einen Flug entfernt, die irdischen Sorgen blieben verborgen. Das ist heute nicht mehr unbedingt so. Mit dem wachsenden Klimabewusstsein fliegt auch zunehmend das schlechte Gewissen mit. Denn jeder Flug verursacht durch seine Emissionen Kosten, die weder Fluggesellschaften noch Verbraucher tragen, sondern die Umwelt.

Abhilfe schaffen sogenannte Kompensationsportale, bei denen der individuelle CO2-Verbrauch der Flugreise ausgeglichen werden kann. Für immer mehr Verbraucher eine echte Alternative, wie auch Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer des Marktführers Atmosfair Anfang des Jahres in der „taz“ sagte: Die Einnahmen des Anbieters seien demnach im vergangenen Jahr um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, etwa 800 000 Tonnen CO2 konnten damit durch Ökoprojekte ausgeglichen werden. Doch trotz des Andrangs sollten Verbraucher zuvor einiges beachten.

Macht Kompensation Fliegen klimaneutral?

Fliegen ist nie klimaneutral, denn mit jedem Flug entstehen Treibhausgase, die zur Erwärmung beitragen. Da hilft auch das Kompensieren nichts. Für Stefan Fischer, Experte für Flugkompensationsportale bei der Stiftung Warentest, gilt deshalb: „Vermeiden und Vermindern geht über Kompensieren“.

Wichtig sei, zunächst zu hinterfragen, ob der Flug überhaupt nötig ist, oder ob dieser nicht durch eine Bahnfahrt ersetzen werden könnte. Weist ein Anbieter darauf auf seiner Website hin, bewertete das auch die Stiftung Warentest positiv. Wer aber doch nicht anders kann, dem helfen Kompensationsportale bei der Gewissenserleichterung – und letztendlich auch beim Kampf gegen den Klimawandel.

Warum man kompensieren soll

2017 machten Flugreisen nach Angaben des Internationalen Dachverbands der Fluggesellschaften IATA weltweit rund zwei Prozent der gesamten menschengemachten CO2-Emissionen aus. Das scheint erstmal wenig zu sein. Neben Kohelstoffdioxid führen aber auch andere Stoffe beim Fliegen zu einer Erwärmung der Atmosphäre.

Und gerade pro Kopf wirkt sich eine Flugreise sehr schädlich aus: Ein durchschnittlicher Hin- und Rückflug von München nach New York hat dem CO2-Rechner von Atmosfair zufolge eine Klimawirkung von rund drei Tonnen schädlicher Treibhausgase. Damit ist das jährliche „CO2-Budget“ von 2,3 Tonnen bereits verbraucht. Und auch der Verbrauch durch das ganzjährige Autofahren – rund zwei Tonnen – ist damit überschritten.

Wer Kompensation anbietet

Die Stiftung Warentest hat 2018 insgesamt sechs Plattformen hinsichtlich der Qualität der Kompensation, der Transparenz sowie der Leistung und Kontrolle getestet und verglichen. Die mit Abstand größte Kompensationsplattform und auch Testsieger ist Atmosfair. Daneben schneiden auch die ebenfalls gemeinnützigen Organisationen Klima-Kollekte, Primaklima und Myclimate Deutschland gut bis sehr gut ab. Außerdem existieren die nicht gemeinnützigen Gesellschaften Klimamanufakur und Arktik, die von Stiftung Warentest lediglich mit ausreichend bewertet wurden.

Lufthansa setzt auf nachhaltigen Sprit

Zusätzlich überraschte kürzlich die Lufthansa mit einem eigenen Portal namens „Compensaid“. Auch die Lufthansa fördert damit klassische Projekte zur CO2-Kompensation wie ein Aufforstungsprojekt in Nicaragua. Die Spenden fließen aber auch in die ökologische Verbesserung des Flugs selbst. Die Kompensation fördert den Einsatz eines alternativen Treibstoffs, den Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF. Die Lufthansa selbst nennt diesen „die erste wirkliche Alternative zum fossilen Treibstoff“. 80 Prozent der CO2-Emissionen sollen nach eigenen Angaben durch Nutzung des SAF eingespart werden. Doch die Produktion ist teuer. Deshalb können Kunden mit ihrer Kompensation den Einsatz fördern – und damit sauberer um die Welt fliegen.

Wie Kompensation funktioniert

Die CO2-Kompensation lässt sich bei allen Anbietern im Internet durchführen. Die Portale bieten online einen sogenannten CO2-Rechner an. Hier können Flugreisende mit der Eingabe ihrer Flugdaten ermitteln, welche negativen Klimawirkungen durch ihre Flugreise entstanden sind. Daraus errechnen die Anbieter einen Betrag. Dieser ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich: Für den Flug von München nach New York liegen die Anbieter zwischen 46,00 Euro wie bei Myclimate und 90,85 Euro bei Klima-Kollekte. Mit der Spende erwirbt der Anbieter wiederum CO2 Zertifikate, die der CO2-Verbrauchsmenge entsprechen – diese also kompensieren.

Wie sich die Anbieter Unterscheiden

Unterschiede bei den Anbietern gibt es zunächst bei der Berechnung der jeweiligen CO2-Kompensation. Das liegt an unterschiedlichen Berechnungsmethoden sowie der Art des jeweiligen Projekts. Während Atmosfair auf Projekte zur Energieeffizienz und erneuerbare Energien setzt, unterstützt Primaklima ausschließlich Aufforstungsprojekte. Fischer empfiehlt: „Projekte zu Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind grundsätzlich effektiver als Aufforstungsprojekte“. Denn Bäume, die sterben oder wieder abgeholzt werden, gäben letztendlich die gespeicherte Menge CO2 wieder frei. „Das wäre ein Nullsummenspiel“, so Fischer. Auch das Engagement unterscheidet sich bei den Anbietern: Laut Stiftung Warentest bringen Atmosfair, Primaklima oder die Klimamanufaktur eigenes Know-how in die Projekte ein, andere wie Arktik erwerben dagegen „nur“ Zertifikate auf dem Zertifikatemarkt. Wichtig findet Fischer aber vor allem, dass die Anbieter transparent handeln. Das erkennen Verbraucher zum Beispiel daran, ob der jeweilige Anbieter seine Finanzen offenlegt oder an der Beschreibung der Projekte. Bei der Qualität der Projekte sollten Verbraucher außerdem solche wählen, die mit dem sogenannten CDM Gold Standard gekennzeichnet sind.

Kompensation – für die Steuer eine Spende

Auch wenn Fliegen erstmal zum Klimawandel beiträgt: „Anbieter, die auch wirklich konkrete Projekte unterstützen, bewirken etwas“, sagt Fischer. Das liege auch daran, dass der Markt für Umweltzertifikate viel strenger reguliert sei als der normale Spendenmarkt. „Das macht es viel nachvollziehbarer, was mit dem Geld passiert“, so Fischer. Wer dennoch zögert, nach dem Urlaub weiteres Geld auszugeben: Die Zahlung für CO2-Kompensation lässt sich als Spende von der Steuer absetzen.

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