Perfide Werbung, Mobbing, Hassbotschaften und Fake News sind im Internet allgegenwärtig, ebenso wie mangelhafter Kinder- und Jugendschutz. Es gibt immer mehr gute Gründe, das Netz höchst vorsichtig zu nutzen – oder ihm ganz fernzubleiben. Die Europäische Union will das jetzt ändern. Das Internet soll wieder ein besserer Ort werden. Dafür gilt seit letzter Woche der neue „Digital Services Act“ (DSA), auf Deutsch „Gesetz für digitale Dienste“.
Er nimmt vor allem die großen US-Anbieter an die Kandare. Die ersten positiven Auswirkungen bemerken auch deutsche Nutzerinnen und Nutzer bereits jetzt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Um was geht es im neuen Internetgesetz?
Die britische Zeitung „The Guardian“ spricht von einem „bahnbrechenden Gesetz“ zum Vorteil der Internetnutzer in den 27 EU-Ländern. Euronews lobt: „Ab sofort ändert sich das Online-Leben der Europäerinnen und Europäer.“ Im Kern zielen die neuen Regeln darauf ab, die Nutzer zu schützen, wenn es um Privatsphäre, Transparenz und die Entfernung schädlicher oder illegaler Inhalte geht. Konkret im Visier der EU sind vor allem 19 große Onlinedienste wie Google, Facebook/Meta, Apple, Amazon, X (bisher Twitter) oder Microsoft, die mehr als zehn Prozent der 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU erreichen. Die meisten von ihnen kommen aus den USA. Aber auch reichweitenstarke Firmen wie TikTok aus China oder Zalando aus Deutschland sind betroffen. In einigen Monaten sollen auch kleinere Unternehmen dazukommen.
Welche Regeln gelten jetzt für die Anbieter?
Die Firmen sind ab sofort gesetzlich dafür verantwortlich, dass schädliche Inhalte nicht mehr in ihren Diensten auftauchen – oder innerhalb von 24 Stunden entfernt werden. Das kann von russischer Kriegspropaganda bei Facebook über gefälschte Markenware bei Amazon bis hin zu Werbung reichen, die sich gezielt und manipulativ an Kinder wendet. Die Firmen müssen nachweisen, dass sie Maßnahmen für ein „hohes Niveau an Privatsphäre und Sicherheit“ getroffen haben.
Was passiert bei Verstößen?
Dann drohen Geldbußen in Millionenhöhe – oder die Sperrung des Dienstes in der Europäischen Union. Die EU beziffert die möglichen Strafen auf bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Beispielsweise für Amazon würde das bei einem Umsatz 2022 von 475 Milliarden Euro eine Strafzahlung von bis zu 28,5 Milliarden Euro bedeuten. Das zahlen selbst US-Giganten nicht aus der Portokasse. Die Chancen, ungestraft davonzukommen, sind dabei gering. Denn das neue Internetgesetz besagt auch, dass die Nutzer einfachere und besser sichtbare Möglichkeiten bekommen, Verstöße zu melden.
Was ändert sich für Nutzer?
Auf Websites wie Facebook, Instagram oder TikTok sind erste positive Auswirkungen bereits zu erkennen. Hier haben Nutzer jetzt die Möglichkeit, nicht mehr nur die Beiträge zu sehen, wie sie die ausgeklügelte Software der Anbieter vorschlägt. Dieser Algorithmus stellt die Posts so clever zusammen, dass eine Art Suchtverhalten entsteht, das das Wegklicken von der Seite erschwert. Außerdem ist diese Anzeige, die sogenannte Timeline, für die Interessen der Werbekunden optimiert. Nun haben Nutzer die Möglichkeit, einfach nur die Beiträge der Menschen oder Firmen zu sehen, denen sie folgen – in der chronologischen Reihenfolge, ohne jeden Trick einer KI. Bei Facebook klappt das im Menü „Feeds“, bei Instagram unter „Gefolgt“ und bei TikTok unter „Folge ich“. Außerdem soll es keine (oder weniger) illegale Produkte auf den Seiten geben. Maßgeschneiderte Werbung für Kinder ist verboten. Informationen zu Hautfarbe, Geschlecht, Religion und sexueller Orientierung dürfen nicht mehr dazu verwendet werden, um personalisierte Werbung anzuzeigen. Shopping-Seiten dürfen keine Tricks à la „Dieser Preis gilt nur noch zehn Minuten“ mehr einsetzen.
Wie reagieren die Anbieter?
Die meisten Firmen unterwerfen sich den neuen Vorschriften – es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, wenn sie weiterhin in der EU Geld verdienen wollen. Google, Facebook/Meta und Booking.com legen erstmals offen, nach welchen Regeln sie personalisierte Werbung anzeigen. Amazon und Zalando haben dagegen Klage eingereicht – weil sie davon ausgehen, dass sie als Händler gar nicht unter die Bestimmungen fallen. Amazon hat aber bereits angekündigt, sich bei einem Scheitern der Klage ans neue Internetgesetz zu halten. Details zu den Regeln präsentiert die EU unter bit.ly/netz-2023.