Es schlägt mehr als 100 000 Mal am Tag, selbst dann, wenn es uns in die Hose rutscht. Das Herz, ein Allroundtalent. Nicht nur unser wichtigstes Organ, sondern auch das symbolträchtigste. Momentan äußerst populär: ineinander gedrückte Daumen und mit den Restfingern bogenartig ein Herz formen. Nach Konzerten schicken es Showstars ins Publikum – ich liebe euch, dankeschön. Taylor Swift behauptet, sie habe das „Hand-Herz“ als Ausdruck von Zuneigung schon in College-Zeiten erfunden. Einfach nur ein Gruß, der gerade „in Mode“ ist, oder tatsächlich eine Botschaft mit echten Gefühlen? Wie auch immer, es ist eine nette Geste und tausendmal besser als gewisse andere „Zeichen“, die man mit seinen Fingern machen kann.
Das „Hand-Herz“, es boomt. Auf Kaffeetassen, auf T-Shirts, als Emojis. Angeblich kann man mit der Bitte „Forme mal ein Herz aus deinen Fingern“ sogar das Alter einer Person herausfinden: die Art und Weise, wie das Herz geformt wird, soll darauf schließen lassen, welcher Generation man angehört. Bei Generation Z, jenen zwischen 1995 und 2010 Geborenen, ist es spitz und nicht rund.
Ja, das Herz – etwa 200 Gramm bringt es auf die Waage und spielt dennoch die Hauptrolle in unserem Leben: Kein Dichter, kein Komponist, kein Philosoph, der sich ihm nicht widmete. Kein Schlager, der ohne Herz und den wunderbar sich reimenden Schmerz auskommt. Ich denke an den Grand Prix der Volksmusik. 1992. „Doch des Herzklopfen, das verdank ich dir“, sang Angela Wiedl mit einer bis heute so großartigen Stimme. Mit „Herzilein“ gelang den Wildecker Herzbuben ein Hit.
So richtig emotional wird es natürlich bei Nationalhymnen. Wunderschön Italiens „Fratelli d‘Italia“, die an eine Opernarie erinnert, gesungen mit Leidenschaft, die rechte Hand auf der linken Brustseite. Eine Minute, 39 Sekunden, die irgendwie ans Herz gehen. Möglich, dass die Sporthelden auch des Texters der Hymne, Goffredo Mameli, gedenken. 1849, im Alter von nur 21 Jahren, erlag er den Folgen einer Kriegsverletzung.
Noch im Mittelalter galt das Herz als der Ort, an dem die Wahrheit sitzt. Beim Schwur wurde eine Verbindung zum Herzen geschaffen: Als Charles am 6. Mai 2022 zum König gekrönt wurde, forderte der Erzbischof von Canterbury einen kollektiven Eid: „Ich schwöre Ihrer Majestät wahre Treue sowie ihren Erben und Nachfolgern.“ Also auch jene Briten, die vom Bildschirm aus die Zeremonie verfolgten, sollten ihn ablegen. Monarchie-Gegner gingen auf die Barrikaden.
Hand aufs. Herz, auf die Bibel schwören – in deutschen Gerichtssälen nicht erforderlich. Auch nicht, die Eidformel mit dem Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ zu ergänzen. Helmut Kohl und Angela Merkel sagten ihn bei ihrer Vereidigung zum Bundeskanzler beziehungsweise zur Bundeskanzlerin dennoch; Olaf Scholz verzichtete …
Warum fällt mir gerade ein Zitat von Albert Schweitzer ein: „Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht im Herzen seiner Mitmenschen …“
Das „Hand-Herz“ – es hat sich seinen Platz erobert, obwohl es inzwischen schon fast ein bisschen nervig ist: Wenn ich mich bedanken will, bleibe ich persönlich lieber beim guten alten „Vergelt’s Gott“ – und das kommt wirklich von Herzen …
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